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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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weißt du alles. Sprich mich schuldig oder vergib mir, es ist deine Entscheidung. Aber zweifle nie daran, dass du in Liebe gezeugt und geboren und jeden einzelnen Tag deines Lebens geliebt wurdest. Pass auf dich auf, Adam.
    Mit all meiner Liebe
    Dein Vater, Mick der Bergmann
    Gabriel ließ das letzte Blatt auf die anderen fallen. Er nahm die erste Seite wieder zur Hand und las alles noch einmal, und dabei wurde ihm bewusst, dass Matthias irgendwann wieder hereingekommen war. Es kam ihm vor, als läse er die Zusammenfassung einer Filmhandlung. Unmöglich, es mit seinem eigenen Leben in Verbindung zu bringen. Zu absurd, um wahr zu sein. Er fühlte sich, als sei seinem Leben das Fundament genommen worden und als hänge er in der Luft wie eine Figur aus einem Cartoon, die vor dem unvermeidlichen schrecklichen Absturz über dem Abgrund schwebte. »Weiß Ursula das alles?«, fragte er und wusste, dass dies keine wichtige Frage war, aber er wollte trotzdem eine Antwort.
    »Manches davon«, antwortete Matthias und setzte sich mit einer weiteren Flasche Wein in der Hand schwerfällig Gabriel gegenüber. »Sie weiß nicht, wer deine Mutter war, noch kennt sie Daniels ganze Geschichte. Sie weiß, dass er eine vorgetäuschte Entführung organisiert hat, weil er mit dir und deiner Mutter zusammen sein wollte. Aber sie weiß nichts von der Schießerei am O.K. Corral.«
    Die Leichtfertigkeit, mit der Matthias über den Tod seiner Mutter sprach, versetzte Gabriel einen Stich.
Toby hatte eine Pistole dabei
. Er stieß ein halbherzig verächtliches Schnauben aus. »Die ganzen Jahre dachte ich, dass ich mit einem Haufen alter Hippies mit überholten linken Idealen zusammenlebte. Und jetzt zeigt sich, dass ihr eine Bande von Kriminellen auf der Flucht seid, nachdem ihr die schlimmste Sorte von kapitalistischem Verbrechen begangen habt.«
    Er wusste, dass es wichtigere Dinge gab, über die man hätte reden sollen, aber er musste sich an sie herantasten, wie ein Hund, dem ein heißes Essen vorgesetzt wird und der zuerst am Rand knabbert, weil er mit mehr nicht zurechtkommt.
Toby hatte eine Pistole dabei
.
    »Du siehst das ganz falsch, Gabe, mein Lieber«, widersprach Matthias, der dabei war, einen weiteren Joint zu drehen. »Du solltest uns als moderne Robin Hoods betrachten, die die ganz Reichen berauben und das Geld auf gerechtere Weise verteilen.«
    »Du und mein Dad habt wie Gott in Frankreich gelebt und genau das getan, was ihr wolltet – wie treibt denn das den Kampf gegen den internationalen Kapitalismus voran?« Gabriel bemühte sich nicht einmal, den Hohn auf seinem Gesicht und in seiner Stimme zu verbergen. »Wenn mein Großvater die Kunst meiner Mutter unterstützt hätte, wäre all dies nie passiert. Sag bloß nicht, ihr hättet das alles für einen höheren Zweck getan. Ihr habt es gemacht, weil ihr euer eigenes Ding durchziehen wolltet und einen Weg gefunden hattet, jemand anderen dafür zahlen zu lassen.« Er lehnte den Joint mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. Denn er wollte nicht die paar Reste an Klarheit verlieren, über die er noch verfügte.
    »He, Gabe, fäll nicht so schnell ein Urteil über uns.«
    »Warum nicht? Geht es bei Gesualdo nicht darum? Es ist, als wäre das Letzte, was Daniel tat, die Aufforderung an mich, ihn zu verurteilen. Soll ich ihn als einen Mörder sehen oder als einen Mann, der durch seine Bilder erlöst wurde? Oder erlöst dadurch, dass er mich liebte und aufzog, so gut er konnte?« Gabriel suchte in den Blättern des Briefes nach der letzten Seite. »Hier ist es, von ihm selbst geschrieben: ›Sprich mich schuldig oder vergib mir, es ist deine Entscheidung.‹ Er wollte, dass ich mir selbst eine Meinung bilde über das, was ihr getan habt.« Heißer Zorn stieg in ihm auf, breitete sich aus und machte es schwerer, vernünftig zu sein.
Toby hatte eine Pistole dabei
.
    »Und du solltest ihm vergeben«, erwiderte Matthias. »Du zweifelst unsere Motive an, aber ich sage dir, er wollte einfach ein Leben mit dir und Cat aufbauen. Die Umstände waren gegen ihn. Wir versuchten nur, das Gleichgewicht wiederherzustellen, das ist alles, Gabe.«
    Seine lässige Selbstzufriedenheit provozierte Gabriel. »Und wieso gab euch das das Recht, für mich Entscheidungen zu treffen?«
    »Was redest du da?«
    »Du und Daniel, ihr habt entschieden, was ich über mich selbst wissen und wann ich es erfahren sollte. Ihr habt mich von meiner Familie ferngehalten. Ihr habt mich angelogen hinsichtlich meiner Herkunft,

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