Nacht unter Tag
kann ich es wagen«, sagte sie und breitete den Plan auf Grants Schreibtisch aus. »Sie denken, Ihr Geld und Ihr Einfluss können alles kaufen. Sie denken, Sie können die Wahrheit begraben, wie Sie Ihre Frau und Ihre Tochter begraben haben. Aber ich bin hier, Sir, um zu beweisen, dass Sie sich täuschen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Grant konnte seine Worte nur zwischen den angespannten Lippen hervorpressen.
»Die offizielle Version«, erklärte sie und stieß den Finger auf die Karte. »Cat nimmt die Tasche von Ihrer Frau, die Kidnapper geben einen Schuss ab, der sie in den Rücken trifft und tötet. Die Polizei gibt einen Schuss ab, der weit danebengeht.« Sie sah zu ihm auf. Sein Gesicht war eine reglose, starre Maske der Wut. Sie hoffte, dass ihr Gesichtsausdruck dem seinen ebenbürtig war. »Und dann wäre da die Wahrheit: Cat nimmt die Tasche von Ihrer Frau, sie dreht sich um, um sie den Kidnappern zu übergeben. Sie fuchteln mit Ihrer Pistole herum, die Kidnapper verdunkeln den ganzen Strand, Sie feuern.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Und Sie töten Ihre eigene Tochter.«
»Das ist ein krankes Hirngespinst«, zischte Grant.
»Ich weiß, dass Sie während der ganzen Jahre die Tatsachen nicht anerkennen wollten, aber das ist die Wahrheit. Und Jimmy Lawson ist bereit, es zu bezeugen.«
Grant schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. »Ein verurteilter Mörder? Wer wird ihm glauben?« Seine Oberlippe zitterte, während er höhnisch lächelte.
»Es gibt noch jemanden, der weiß, dass Sie in jener Nacht eine Schusswaffe dabeihatten. Dieser Zeuge ist jetzt im Ruhestand, und Sie haben keine Möglichkeit mehr, ihn zu bedrohen. Vielleicht können Sie Simon Lees dazu bringen, mir den Mund zu verbieten, aber der Geist ist jetzt aus der Flasche. Es würde nicht schaden, wenn Sie bei der Aufklärung von Bel Richmonds Ermordung mit mir zusammenarbeiteten.«
»Verlassen Sie mein Haus«, rief Grant. »Wenn Sie nächstes Mal kommen, sollten Sie einen Haftbefehl dabeihaben.«
Karen warf ihm ein schmales Lächeln zu. »Worauf Sie sich verlassen können.« Sie hatte immer noch jede Menge Munition, aber dies war nicht der rechte Zeitpunkt, sie zu verpulvern. Mick Prentice und Gabriel Porteous konnten noch einen Tag warten. »Es ist noch nicht vorbei, Brodie. Es ist nicht vorbei, bis ich sage, dass es vorbei ist.«
Der zukünftige Ex-Gabriel-Porteous hatte keinerlei Probleme beim Einreisen ins Vereinigte Königreich. Der Beamte der Einwanderungsbehörde zog seinen Pass durch, verglich sein Gesicht mit dem Foto und nickte ihm zu, er könne durchgehen. Auch für den Mietwagen brauchte er seinen alten Ausweis. Bei diesem Zusammenprall von Vergangenheit und Zukunft war es schwierig, im Gleichgewicht zu bleiben. Er wollte Gabriel und alles, was er getan hatte, hinter sich lassen, wollte sein neues Leben sauber und unbelastet beginnen. Emotional, psychisch und auch praktisch wollte er keine Verbindung mehr zu seinem alten Leben halten, um den italienischen Behörden keine Gelegenheit zu fatalen Fragen zu bieten. Er betete zu Gott, dass sein Großvater die klare Trennung von seiner Vergangenheit akzeptieren möge. Eines war sicher, er würde den Schock und den Schmerz, den der Brief seines Vaters ihm verursacht hatte, nicht zu übertreiben brauchen.
Er musste an einer Tankstelle anhalten und nach dem Weg zu Rotheswell Castle fragen, aber es war noch Vormittag, als er auf das eindrucksvolle Tor zufuhr. Er hielt an, stieg aus und grinste in die Überwachungskamera. Als er durch die Sprechanlage gefragt wurde, wer er sei und in welcher Angelegenheit er komme, antwortete er: »Ich bin Adam Maclennan Grant. Deshalb bin ich hier.«
Man ließ ihn fast fünf Minuten warten, bevor das äußere Tor geöffnet wurde. Zuerst ärgerte es ihn. Seine Nervosität hatte ein unerträgliches Maß erreicht. Dann ging ihm auf, dass man nur solche Vorsichtsmaßnahmen ergriff, wenn es etwas Wichtiges zu schützen gab. Also wartete er und fuhr dann in den Pferch zwischen den beiden Toren hinein. Er ließ sich das Abklopfen durch den Wachmann gefallen. Als sein Fahrzeug durchsucht und er gebeten wurde, seine Reisetasche und seinen Rucksack zu öffnen, damit sie darin herumwühlen konnten, beklagte er sich nicht. Als man ihn endlich durch das innere Tor einließ und er den ersten Blick auf das erhaschte, was er verpasst hatte, blieb ihm fast die Luft weg.
Er fuhr langsam und bemühte sich, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten.
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