Nacht unter Tag
etwas gestellt aus wie für den Selbstauslöser. »Meine Mutter und mein Vater.«
Diesmal konnte Grant die Tränen nicht zurückhalten. Wortlos streckte er seinem Enkel die Arme entgegen. Adam stand mit feuchten Augen auf und ließ sich umfassen.
Es kam ihm vor, als nehme die Umarmung kein Ende, dabei dauerte sie gar nicht lange. Endlich lösten sie sich voneinander und wischten sich die Augen.
»Du siehst so aus wie ich vor fünfzig Jahren«, stellte Grant wehmütig fest.
»Trotzdem solltest du den DNA -Test machen lassen«, erklärte Adam. »Es gibt schlechte Menschen da draußen.«
Grant warf ihm einen langen, bedächtigen Blick zu. »Ich glaube, sie sind nicht nur da draußen«, erwiderte er mit melancholischem Tonfall. »Bel Richmond hat für mich gearbeitet.«
Adam gab sich Mühe, nicht zu zeigen, dass er den Namen kannte, aber er sah dem Gesicht seines Großvaters an, dass es ihm nicht gelungen war. »Sie hat mich besucht«, gab er zu. »Aber sie hat nie erwähnt, dass du ihr Chef bist.«
Grant lächelte dünn. »Ich würde nicht sagen, dass ich ihr Chef war. Aber ich habe ihr einen Auftrag gegeben, den sie für mich erledigen sollte. Das hat sie so gut gemacht, dass sie dabei umkam.«
Adam schüttelte den Kopf. »Das kann nicht stimmen. Es war doch erst gestern Abend, als ich mit ihr sprach.«
»Doch, es stimmt schon. Die Polizei war bereits hier. Anscheinend hat ihr Mörder versucht, sie an Schweine zu verfüttern, gleich neben der Villa, wo dein Freund Matthias bis ungefähr zu der Zeit wohnte, als dein Vater starb«, fuhr Grant grimmig fort. »Und die Polizei untersucht auch dort einen mutmaßlichen Mord. Der geschah zu der Zeit, als Matthias und seine kleine Truppe von Puppenspielern verschwand.«
Adam hob die Augenbrauen. »Das ist bizarr«, meinte er. »Wer sonst soll noch tot sein?«
»Sie sind nicht sicher. Die Puppenspieler sind in alle Winde verstreut. Als Nächstes plante Bel, sie aufzuspüren. Aber dazu hatte sie keine Gelegenheit mehr. Sie war eine gute Journalistin. Gut darin, so lange herumzuschnüffeln, bis sie den Dingen auf die Spur kam.«
»So hört es sich an.«
»Wo ist also Matthias?«, fragte Grant.
»Ich weiß es nicht. Das letzte Mal habe ich ihn am Tag der Beerdigung meines Vaters gesehen. Ich ging mit in die Villa, damit er mir den Brief geben konnte. Ich ärgerte mich, als mir klar wurde, dass er schon immer gewusst hatte, wer ich in Wirklichkeit war. Ich war wütend und enttäuscht, dass er und mein Dad sich verschworen hatten, mich die ganzen Jahre von dir fernzuhalten. Als ich wegging, sagte ich, dass ich nie wieder von ihm hören wolle. Ich wusste nicht einmal, dass er Boscolata verlassen hat.« Er zuckte leicht mit einer Schulter. »Sie müssen sich zerstritten haben. Ich weiß, dass die anderen manchmal aufmüpfig wurden, weil Matthias den größeren Anteil der Einnahmen behielt. Es muss eskaliert sein. Und jemand kam um.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist brutal.«
»Und Bel? Was ist da deine Theorie?«
Adam hatte während einer Nachtfahrt und eines Flugs Zeit gehabt, sich eine durchdachte Antwort darauf zurechtzulegen. Er zögerte einen Moment, als grüble er über die Möglichkeiten nach. »Wenn Bel in Boscolata herumgefragt hat, hätte der Mörder davon hören können. Ich weiß, dass zumindest einer von der Gruppe mit einer Frau aus dem Ort etwas hatte. Vielleicht hat ihm seine Freundin von Bel erzählt, und sie haben sie beobachtet. Wenn sie herausfanden, dass sie mich besuchen wollte, dachten sie vielleicht, dass sie zu gründlich recherchiert hätte und man sie loswerden musste. Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wie solche Leute denken.«
Grants Gesichtsausdruck war so undurchdringlich wie in dem Moment, als Adam ihn zuerst erblickt hatte. »Du klingst sehr überzeugend«, stellte er fest. »Manche würden vielleicht sagen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Er verzog für einen Augenblick das Gesicht vor Schmerz. »Du hast recht mit dem DNA -Test. Wir sollten das so bald wie möglich machen lassen. In der Zwischenzeit, finde ich, du solltest bei uns bleiben. Lass uns anfangen, einander kennenzulernen.« Sein Lächeln war auf beunruhigende Weise ambivalent. »Die Welt wird sich sehr für dich interessieren, Adam. Darauf müssen wir uns einrichten. Wir brauchen nicht unbedingt ganz offen zu sein. Ich fand es schon immer wichtig, die Privatsphäre zu schützen.«
Es war ein heikler Moment gewesen, als der alte Mann zugegeben hatte,
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