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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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anschaltete – süßer Pfirsichgeruch vermischt mit einem Hauch von Zitrusblüten.
    Es war dem Zimmer seiner eigenen Tochter entwaffnend ähnlich. Wenn er das Geld gehabt hätte, Lily ihre Wünsche zu erfüllen, dann hätte sie, so vermutete er, die gleiche Art von Dekor und Möblierung in Rosa, Weiß und Pastellfarben gewählt. Poster von Boybands und Girlbands, eine Frisierkommode, auf der ein Mischmasch diverser Versuche lag, ein passendes Make-up zusammenzustellen, ein kleines Bücherregal mit Romanen, die er auch in seinem eigenen Wohnzimmer hatte herumliegen sehen. Er nahm an, dass die zwei Türen an der hinteren Wand zu einer Ankleide führten, die vermutlich vollgestopft war mit einer Mischung aus praktischen und schicken Sachen. Es reichte, wenn die Spurensicherung sich all das vornahm. Er war an der Kommode interessiert und an dem kleinen Schreibtisch in der Ecke.
    Patterson zog sich ein Paar Latexhandschuhe über und fing an, die Schubladen durchzusehen. Büstenhalter und Höschen, alles ordentlich und spitzenbesetzt, aber bemitleidenswert in seiner elementaren Unschuld. Strumpfhosen, ein paar Socken, die fest zusammengerollt waren, aber nichts verbargen. Blüschen und Tops mit Spaghettiträgern, T-Shirts, die durch den Lycraanteil unwahrscheinlich eng aussahen. Billige Ohrringe, Armbänder, Anhänger und Halsketten, schön zurechtgelegt in einer Schale. Ein Bündel alter Weihnachts- und Geburtstagskarten, die Patterson nahm und zur Seite legte. Jemand würde sich diese zusammen mit Mrs.Maidment anschauen müssen, sobald sie sich auf etwas anderes als ihren Schmerz konzentrieren konnte.
    Sonst erregte nichts sein Interesse, also ging er zum Schreibtisch weiter. Der obligatorische Apple-Laptop war geschlossen, aber Patterson sah am Anzeigelämpchen, dass er auf Standby war, nicht ausgeschaltet. Der modernste iPod war an den Computer angeschlossen, die Kopfhörer lagen mit wirr verschlungenem Kabel daneben. Patterson zog das Rechnerkabel aus der Steckdose, schrieb einen Beleg dafür und klemmte ihn unter den Arm. Nachdem er sich noch einmal rasch im Zimmer umgesehen hatte, um sicherzugehen, dass er nichts Naheliegendes übersehen hatte, ging er wieder nach unten.
    Mrs.Maidment hatte aufgehört zu weinen. Sie saß aufrecht da und sah zu Boden, die Hände im Schoß verkrampft, und Tränen schimmerten noch auf ihren Wangen. Ohne den Blick zu heben, sagte sie: »Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte.«
    »Niemand von uns versteht es«, antwortete Patterson.
    »Jennifer belügt mich nicht, wenn sie weggeht«, erklärte sie, und ihre Stimme war tonlos und schmerzlich gepresst. »Ich weiß, dass jeder denkt, das eigene Kind lügt nicht, aber Jennifer tut es wirklich nicht. Sie und Claire, sie machen alles gemeinsam. Sie sind immer hier oder bei Claire zu Hause, oder sie gehen zusammen aus. Ich begreife es nicht.«
    Patel tätschelte Mrs.Maidments Schulter. »Wir werden es herausfinden, Tania. Wir werden aufklären, was mit Jennifer geschehen ist.«
    Patterson wünschte, er hätte ihre Zuversicht. Tief betrübt und erschöpft setzte er sich und bereitete sich darauf vor, Fragen zu stellen, die vermutlich wenig bringen würden. Aber sie mussten trotzdem gestellt werden. Und die Antworten würden sowohl wahr als auch gelogen sein. Es würde beides geben. Das war immer so.
     
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Wen es trifft …
    D ie Frau ging gemächlich durch den Supermarkt und suchte sich hier und da etwas für ihren Wagen aus. Als sie zu dem Regal mit Saucen, eingelegten Gurken und Gemüse kam, spannten sich die Muskeln an ihrem Kinn. Sie sah sich um und bemühte sich, ganz lässig auszusehen. Schnell nahm sie ein Glas mit eingelegten Tomaten aus ihrer großen Ledertasche und stellte es auf das Regal. Dann ging sie weiter zur Tiefkühltruhe mit dem Fleisch.
    Ein paar Minuten später kam sie wieder an demselben Regal vorbei und blieb stehen. Sie wiederholte die Aktion, stellte aber diesmal zwei Gläser auf das Regal. Als sie zur Kasse ging, spürte sie, wie die Anspannung nachließ, und fühlte sich erleichtert und beschwingt.
    Sie stand in der Schlange, eine Unbekannte zwischen den anderen Kunden, die heute früh einkauften, eine gepflegte Frau wie viele andere in einem gut geschnittenen Wintermantel, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und einem merkwürdig abwesenden Blick in den hellblauen

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