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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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gefragt, ob du noch hier wohnst«, murmelte Sarah finster. »Wenn du eine Affäre hättest, wüsste ich wenigstens, was ich dagegen unternehmen kann.«
    »Nicht jetzt, Liebste, bitte.«
    »Willst du was Warmes? Suppe? Omelette?«
    »Suppe, bitte. Und ein überbackenes Käsesandwich?«
    »Kommt sofort. Was für ein Notfall ist es diesmal?«
    Maggies Augen wurden trübe. »Unser verrückter Mörder hat wieder zugeschlagen. Acht Menschen liegen in kritischem Zustand im Krankenhaus. Diesmal war es Arsen in Garrat’s Pudding aus Pinkerton’s Hypermarket. Bill fordert im Fernsehen gerade die Leute zur Rückgabe aller Päckchen auf, die sie im Lauf dieser Woche gekauft haben.«
    »Anderer Hersteller, anderer Supermarkt. Hört sich eher an wie ein Verrückter statt wie jemand, der sich rächen will, oder?«
    »Und deshalb lässt sich der nächste Schlag unmöglich voraussagen. Ich nehme jetzt jedenfalls ein Bad. In fünfzehn Minuten bin ich wieder unten.« Maggie blieb an der Küchentür stehen. »Ich meine es ernst, Sarah. Kauf nichts im Supermarkt. Metzger, Gemüseläden, das ist okay. Aber keine Selbstbedienung und keine abgepackten Lebensmittel. Bitte.«
    Sarah nickte. Sie hatte bei Maggie in den acht Jahren, die sie bei der Polizei war, noch nie erlebt, dass sie Angst hatte, und dies mit ansehen zu müssen, war nicht dazu angetan, Sarahs Stimmung zu heben.
     
    Diesmal waren es Gläser mit Mincemeat, der klassischen Füllung für Weihnachtsgebäck. Selbst die Kapelle der Heilsarmee, die vor den Nationwide Stores Weihnachtslieder spielte, konnte die Frau nicht dazu bringen, von ihrer Mission abzulassen. Als sie den Supermarkt betrat, hatte sie sechs Gläser in ihrer Einkaufstüte, deren Inhalt mit todbringendem weißen Pulver vermischt war.
    Als sie wieder hinausging, war keines davon mehr übrig. Sie steckte 50 Pence in die Sammelbüchse, als sie an der Kapelle vorbeikam, weil gerade »In the Bleak Midwinter«, ihr Lieblingsweihnachtslied, gespielt wurde. Ohne innezuhalten, um die weihnachtlichen Auslagen zu betrachten, ging sie langsam zum Parkplatz zurück. Sie sah keiner frohen Weihnacht entgegen.
     
    Sarah kehrte mit der Abendzeitung vom Kiosk zurück und las im Gehen die Titelseite. Der Burnalder Giftmischer machte inzwischen überall Schlagzeilen, aber aus den Artikeln der Lokalzeitung schien eine besonders nervöse Angst zu sprechen. Die Berichte waren gründlich recherchiert und spürten zwischen den drei großen Lebensmittelgiganten, bei denen vergiftete Waren aufgetaucht waren, alle möglichen geschäftlichen Verbindungen auf. Man spekulierte auch über die Gründe der einwöchigen Pausen zwischen den Anschlägen und machte bis in die Einzelheiten hinein die drastische Wirkung der Giftanschläge auf die finanzielle Situation der Betriebe deutlich, die Lebensmittel verarbeiteten. Und die Artikel wiesen auf die Paradoxie hin, dass die Menschen zwar hysterisch auf die Vergiftungen reagierten, sich aber trotzdem in Erwartung der Feiertage ihre Einkaufswagen voll luden.
    Der neueste todbringende Stoff war Univex Mincemeat. Sarah schauderte, als sie von den drei jüngsten Todesfällen las, die die Gesamtzahl auf zwölf erhöhten. Als sie um die Ecke bog, sah sie Maggies Wagen in der Einfahrt stehen und beschleunigte ihre Schritte. Beim Lesen des langen Berichts hatte sich ein schrecklicher Gedanke in ihrem Kopf festgesetzt.
    Als sie ihre Jacke aufhängte, rief Maggie ihr schon aus der Küche etwas zu. Sie ging langsam hinein, wo Maggie genüsslich einen Teller mit Speck und Eiern, aber ohne den sonst üblichen großen Klecks Ketchup verspeiste. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Gesichtshaut war grau und schlaff. Die letzten zwei Nächte hatte sie nicht zu Hause geschlafen. Nie zuvor hatte die Arbeit sie so beansprucht. Sarah dachte kurz darüber nach, ob die gespannte Stimmung zwischen ihnen vielleicht auch ihren Teil dazu beigetragen hatte, dass Maggie sich mit solch verbissenem Engagement an dieser mühseligen Ermittlung beteiligte.
    »Wie läuft es?«, fragte sie besorgt.
    »Überhaupt nicht«, sagte Maggie. »Wir haben praktisch keine Anhaltspunkte. Können keine Verbindungen finden. Und wir haben nicht einmal richtige Spuren, die wir verfolgen könnten. Ich bin nach Hause gekommen, um mal Pause zu machen. Wir haben nur herumgesessen, einander angestarrt und uns gefragt, was als nächstes zu tun ist. Was können wir machen – außer jeden zu durchsuchen, der in einen Supermarkt geht. Und

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