Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
gedruckt und gesendet wurde. Auch die Polizei arbeitete mit uns zusammen.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Gebracht hat es nichts.« Er lehnte den Stock an den Tisch und setzte sich Bel gegenüber.
    Er saß in der klassischen männlichen Alphapose: Knie weit gespreizt, Hände auf den Oberschenkeln, Schultern zurückgenommen. »Die Welt hat sich verändert«, sagte er. »Ich habe gesehen, was ihr Medienleute mit den Eltern macht, die Kinder verloren haben. Mohamed Al-Fayed, den man als paranoiden Hanswurst hingestellt hat. Kate McCann wurde zu einer Medea der heutigen Zeit stilisiert. Ein falscher Schritt, und sie machen dich fertig. Das werde ich nicht zulassen. Ich bin ein sehr erfolgreicher Mann, Miss Richmond. Und das wurde ich, weil ich akzeptierte, dass es Dinge gibt, die ich nicht weiß, und weil ich begriff, dass man dies am besten kompensiert, indem man Experten beschäftigt und auf sie hört. Was diese Angelegenheit betrifft, sollen Sie die von mir angeheuerte Waffe sein. Wenn bekannt wird, dass es neues Beweismaterial gibt, werden die Medien verrückt spielen. Aber ich werde mit niemandem außer Ihnen sprechen. Alles läuft über Sie. Welches Image auch immer in die Öffentlichkeit kommt, es wird das von Ihnen geschaffene sein. Dieses Gebäude wurde errichtet, um einer Belagerung standzuhalten, und die Sicherheitssysteme sind auf dem allermodernsten Stand. Keine dieser Bestien von den Medien kommt in meine, Judiths oder Alecs Nähe.«
    Bel spürte, wie ein Lächeln um ihre Mundwinkel zuckte. Exklusivberichte – das war der feuchte Traum eines jeden Journalisten. Normalerweise musste sie sich den Arsch aufreißen, um an eine solche Situation zu kommen. Aber hier wurde sie ihr auf einem Silbertablett serviert. Trotzdem sollte sie ihn in dem Glauben lassen, dass sie ihm damit einen Gefallen tat. »Und was springt dabei für mich heraus? Abgesehen davon, dass ich die Journalistin werde, die alle anderen von ganzem Herzen hassen?«
    Grant presste die dünne Linie seiner Lippen noch fester zusammen, und seine Brust hob sich, als er tief Luft holte. »Ich werde mit Ihnen reden.« Die Worte kamen wie zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen heraus. Es sollte offensichtlich ein Moment sein, der an den vom Berg Sinai herabsteigenden Moses erinnerte.
    Aber Bel war fest entschlossen, sich nicht beeindrucken zu lassen. »Hervorragend. Wollen wir dann also anfangen?« Sie griff in ihre Tasche und holte einen Digitalrekorder heraus. »Ich weiß, dass es für Sie nicht leicht sein wird, aber Sie müssen mir von Catriona erzählen. Wir werden zur Entführung und ihren Folgen kommen, müssen aber zunächst weiter vorn anfangen. Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, was für ein Mensch sie war und wie sie lebte.«
    Er starrte in die Ferne, und zum ersten Mal hatte Bel einen Mann vor sich, dem man seine zweiundsiebzig Jahre ansah. »Ich bin nicht sicher, dass ich die am besten geeignete Person dafür bin«, zögerte er. »Wir waren uns zu ähnlich. Zwischen mir und Catriona ging es immer heftig zu.« Er stemmte sich aus dem Sessel hoch und ging an den Billardtisch zurück. »Sie war immer schon unbeständig, selbst als kleines Mädchen. Als Kleinkind hatte sie Trotzanfälle, dass hier die Wände wackelten. Aus den Trotzanfällen wuchs sie heraus, aber nicht aus dem hitzigen Temperament. Dennoch konnte sie sich mit ihrem Charme das Wohlwollen immer wieder schnell zurückerobern. Wenn sie sich anstrengte.« Er blickte zu Bel auf und lächelte. »Sie wusste, was sie wollte. Und man konnte sie nicht dazu bringen, nachzugeben, wenn sie entschlossen war.«
    Grant ging um den Tisch herum, betrachtete die Kugeln genau und plante seinen nächsten Stoß. »Und sie war begabt. Als Kind sah man sie nie ohne Bleistift oder einen Pinsel in der Hand. Sie zeichnete, malte und modellierte mit Ton. Sie hörte nie damit auf, es verlor sich nicht wie bei den meisten Kindern. Sie wurde immer besser. Und dann entdeckte sie Glas.« Er beugte sich über den Tisch, schoss die weiße Kugel auf eine rote und versenkte sie in der Mitteltasche. Dann nahm er sich wieder eine rote vor und studierte die Winkel.
    »Sie sagten, Sie seien immer heftig gegeneinander angegangen. Was waren die Streitpunkte?«, fragte Bel, als er keine Anstalten machte, seine Erinnerungen fortzusetzen.
    Grant stieß leise ein kurzes Lachen aus. »Einfach alles. Politik. Religion. Ob italienisches Essen besser schmeckt als indisches. Ob Mozart besser ist als Beethoven. Ob

Weitere Kostenlose Bücher