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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Freundschaft geschlossen zu haben. Und das kam so selten vor, dass es sich lohnte, sie zu pflegen. Seit damals hatten sich die Frauen zweimal in Glasgow getroffen, in der Mitte zwischen Fife und Rivers Standort im Lake District. Sie hatten die Abende genossen, an denen sie zusammen ausgingen, Gelegenheiten, bei denen sich das verfestigte, was bei ihrer ersten Begegnung begonnen hatte. Jetzt würde Karen herausfinden, ob River es ernst gemeint hatte, als sie ihre Studenten als preiswertes Team für Nachforschungen angeboten hatte, die eine große Ausgabe aus dem Budget nicht rechtfertigten.
    River war beim zweiten Klingeln schon an ihrem Handy. »Rette mich«, drängte sie.
    »Wovor?«
    »Ich sitze auf der Veranda einer Holzhütte, schaue mir Ewans schreckliches Kricketteam an und bete, dass es bald regnet. Was man nicht alles aus Liebe tut.«
    Dabei wäre es mir nicht unrecht, eine solche Chance zu haben
. »Wenigstens kochst du nicht auch noch das Abendessen.«
    River lachte. »Kommt nicht in Frage. Das habe ich gleich am Anfang klargestellt. Ich wasche keine Sportklamotten, ich mach keine Sklavenarbeit in einer primitiven Behelfsküche. Die anderen Ehefrauen und Freundinnen starren mich zwar böse an, aber wenn sie meinen, das stört mich, verwechseln sie mich mit jemandem, der sich um so etwas schert. Und bei dir – was macht die Kunst?«
    »Es ist kompliziert.«
    »Nichts Neues also. Wir müssen uns mal wieder treffen und zusammen ausgehen. Damit du die Misere loswirst.«
    »Hört sich gut an. Und wir könnten das sogar schneller hinbekommen, als du denkst.«
    »Aha. Du hast da also was?«
    »Könnte man sagen. Hör mal, erinnerst du dich, dass du einmal angeboten hast, eine kleine Armee von Studenten zur Verfügung zu stellen, wenn ich irgendwann mal Hilfe brauche?«
    »Sicher«, erwiderte River leichthin. »Versuchst du, etwas inoffiziell auf die Beine zu stellen?«
    »So ungefähr.« Karen erklärte den Plan in den Grundzügen. River ermunterte sie durch kurze Einwürfe, während sie sprach.
    »Okay«, meinte River, als Karen fertig war. »Wir brauchen also zunächst forensische Archäologen, am besten die starken, die Felsbrocken schleppen können. Examenskandidaten können wir nicht nehmen, weil die jetzt noch Prüfungen ablegen. Aber wir sind fast am Ende des Trimesters, und ich kann die aus dem ersten und zweiten Jahr zwangsverpflichten. Und alle Anthropologen, die ich mir schnappen kann. Ich könnte es eine Exkursion nennen und sie auf die Idee bringen, dass sie sich dadurch Pluspunkte verdienen können. Wann brauchst du uns?«
    »Wie wär’s mit morgen?«
    Ein langes Schweigen folgte. Dann fragte River: »Morgens oder nachmittags?«
     
    Nach dem Gespräch mit River war Karen ganz aufgedreht, aber es fehlte ihr ein Ziel für ihre Tatkraft. Sie nutzte einen Teil ihrer überschüssigen Energie, um die Unterkünfte für die Studenten auf dem Campingplatz beim Golfplatz im benachbarten Leven zu organisieren. Sie versuchte, eine DVD von
Sex and the City
anzuschauen, aber das irritierte sie nur. Wenn sie mitten in einem Fall war, fühlte sie sich immer so. Auf nichts hatte sie Lust außer auf die Jagd. Sie hasste es, wegen des Wochenendes aufgehalten zu werden, weil Untersuchungen ihre Zeit brauchten, oder wenn nichts weiter getan werden konnte, bis das nächste kleine Stückchen Information sich einfügte.
    Sie versuchte sich durch Putzen abzulenken. Das Problem war, dass sie nie lang genug zu Hause war, um im Haus viel Schmutz zu verursachen. Nach einer Stunde Blitzeinsatz war nichts mehr übrig, das sie sich noch hätte vornehmen können.
    »Ach, zum Henker«, murmelte sie, schnappte sich die Autoschlüssel und ging zur Tür. Genau genommen erforderten die Vorschriften zur Sicherung von Beweisen, dass sie nicht allein mit Zeugen sprechen sollte. Aber Karen sagte sich, dass sie nur den Hintergrund kolorierte und eigentlich keine Beweise aufnahm. Und wenn sie auf etwas stoßen sollte, das später vor Gericht wichtig sein konnte, gab es immer noch die Möglichkeit, an einem anderen Tag zwei Kollegen hinzuschicken und eine formelle Aussage aufnehmen zu lassen.
    Die Fahrt zurück nach Newton of Wemyss dauerte weniger als zwanzig Minuten. In der abgelegenen Oase, in der Jenny Prentice wohnte, waren keine Anzeichen von Leben zu sehen. Keine Kinder spielten; niemand saß im Garten, um die Spätnachmittagssonne zu genießen. In der kurzen Häuserreihe herrschte eine Atmosphäre der Resignation, die zu vertreiben

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