Nacht
Stricken, einer Garnitur schmutziger Bettwäsche und fünftausend Dollar in kleinen Scheinen.
Seit ich Murphys Bücher verschickt hatte, war die Tüte zwar leichter geworden, aber trotzdem wollte ich sie nicht gerne fünf oder zehn Meilen weit mit mir herumschleppen.
Für dieses Problem hätte es natürlich eine einfache Lösung gegeben. Warum nicht heimfahren, in der Garage parken, das Zeug in mein Zimmer bringen und dann wieder losfahren und eine gute Stelle für Judys Auto suchen?
Das wäre einfach gewesen. Aber nicht besonders klug.
Ich hatte nämlich irgendwie Angst davor, dauernd mit Judys Auto durch die Weltgeschichte zu gondeln. Der Weg von Murphy zum Postamt hatte mir in dieser Hinsicht schon gereicht. Zu viel Zeit war schon vergangen, seit ich Judy und Milo im Wald zurückgelassen hatte. Inzwischen hätte viel geschehen können. Hatte jemand Judy als vermisst gemeldet? Hatte jemand Milos Lager entdeckt? Oder hatte Judy sich befreien können und der Polizei alles erzählt?
Wenn etwas Derartiges geschehen war, suchte jeder Bulle von ehester nach Judys Auto.
Ich wollte hier weg.
Je schneller, desto besser.
Selbst wenn das eine strapaziöse Wanderung mit einer dicken Tüte bedeutete.
Aber ich konnte das Auto auch nicht einfach irgendwo abstellen.
Niemand durfte mich beobachten, wenn ich ausstieg. Außerdem sollte es wirklich an einer Stelle stehen, wo es zumindest für eine Weile nicht auffiel.
Ich dachte mir dieses und jenes aus, aber nichts gefiel mir.
Bis ich die perfekte Lösung hatte.
Mitten im Einkaufszentrum!
Bei dem riesigen, überdachten Konsumtempel direkt neben dem Highway gab es einen großen Parkplatz mit über einem Dutzend verschiedener Ein‐ und Ausfahrten.
Parken war gratis. Das bedeutete: Keine Parkwächter.
Zwischen all den Autos würde eines mehr nicht auffallen.
Und ich würde nicht auffallen.
Und das Beste war: Dieser Parkplatz war nie ganz leer. Selbst wenn die Geschäfte in der Mall geschlossen waren, blieben immer Fahrzeuge stehen, denn die Leute gingen zu Fuß zu den anliegenden Restaurants oder Bars oder den Supermärkten weiter, von denen manche bis in den späten Abend oder sogar rund um die Uhr geöffnet hatten.
Kurz gesagt: der Parkplatz beim Einkaufszentrum bot mir genau die Anonymität, die ich brauchte: Ich konnte Judys Auto abstellen und unerkannt verschwinden, und dann würde ihr Auto unbemerkt stehen bleiben, Tag für Tag, Nacht für Nacht; eines unter vielen.
Hochzufrieden mit meiner Idee fuhr ich los in Richtung Highway.
Auf halber Strecke bog ich in eine kleine Nebenstraße ein und hielt vor einem Haus, in dessen Vorgarten ein Schild:
»Zu Verkaufen« steckte. Das Haus sah leer aus. Auf der anderen Straßenseite war ein unbebautes Grundstück. Ich blickte mich um und sah niemanden.
Ich stieg aus und wischte mit einem von Tonys abgeschnittenen Hosenbeinen die Türgriffe und alles andere ab, was ich vielleicht angefasst hatte.
Dann stieg ich wieder ein und wischte das Auto auch innen gründlich sauber.
Ich überprüfte noch einmal alles, innen und außen, um sicherzugehen, dass ich nichts vergessen hatte. Judys Handtasche lag noch auf dem Boden, halb verborgen unter dem Fahrersitz. Dort sollte sie auch bleiben.
Nachdem ich alle meine Spuren beseitigt hatte (soweit das in ein paar Minuten mit einem trockenen Lappen möglich war), steckte ich beide Jeansbeine in meine Tüte, ließ den Motor wieder an und fuhr zum Einkaufszentrum.
Ich nahm die Zufahrt zum Parkplatz auf der Seite von Macy’s, fand eine Lücke und parkte. Bei dem Betrieb auf dem Parkplatz fiel ich niemandem besonders auf.
Einer Eingebung folgend, ließ ich den Zündschlüssel stecken, nachdem ich ihn zuvor ebenso sorgfältig abgewischt hatte wie das Schlüsseletui, den Schaltknüppel und das Lenkrad.
Dann nahm ich meine Handtasche und die Einkaufstüte vom Beifahrersitz und stieg aus.
Ich blickte mich um. Die Leute ringsum waren entweder unterwegs zu den Eingängen des Einkaufszentrums oder zu ihren Autos. Niemand beachtete mich.
Mit einem Jeansbein wischte ich den inneren Türgriff ab. Danach stopfte ich es zurück in die Tüte und stieß mit dem Knie die Autotür zu.
Als sie ins Schloss fiel, merkte ich, dass ich vergessen hatte, sie vorher zu verriegeln.
Das hatte ich eigentlich vorgehabt.
Aber so war es viel besser.
Vielleicht kommt ja irgendein Vollidiot vorbei und klaut das Auto?
Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht kehrte ich Judys Auto den
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