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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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in der Wanne ausgerutscht und mit dem Hinterkopf gegen die Wand geschlagen.
    Diese Variante hätte außerdem den Vorteil, dass sie weitgehend der Wahrheit entsprach.
    Allerdings musste ich hier erst einmal gründlich aufräumen, denn sonst würde die Polizei feststellen, dass er kurz vor seinem Tod noch Sex mit einer Frau gehabt hatte und möglicherweise auf die Idee kommen, dass diese Frau etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte.
    Und wenn dieser Verdacht erst mal bestand, würden sie die ganze Wohnung nach Haaren, Körperflüssigkeiten und anderen winzigen Spuren von ihr durchsuchen.
    Deshalb musste ich aufräumen, und wenn es mich noch so viel Energie kostete.

    Ich fing gleich mit dem Badezimmer an. Um das Schlimmste gleich hinter mich zu bringen, stieg ich in die Badewanne und wischte die Wand hinter dem toten Murphy ab, wo ich mich mit den Händen abgestützt hatte. Diese Arbeit war alles andere als angenehm. Das Ding da unter mir war nicht mehr Murphy, aber es war auch keine Wachsfigur, sondern ein nackter Toter, und der Gedanke daran machte mich nervös. Irgendwie wurde ich das gruselige Gefühl nicht los, dass sein Geist mir jeden Augenblick von unten zwischen die Beine greifen oder mich in den Unterleib beißen könnte.
    Ich und meine Fantasie!
    Ich bekam am ganzen Körper Gänsehaut, die zum Glück wieder verschwand, als ich aus der Wanne stieg.
    Als Nächstes hob ich die Flasche mit dem Wasserstoffperoxyd auf, in der immer noch etwas Flüssigkeit war, und wischte sie, bevor ich sie in den Badezimmerschrank stellte, sorgfältig ab, um meine Fingerabdrücke unkenntlich zu machen. Dann legte ich den (ebenfalls abgewischten) Beutel mir der Watte daneben und klaubte die benutzten Wattebausche vom Boden und aus dem Papierkorb zusammen. Nachdem ich sie im Klo heruntergespült hatte, putzte ich die Toilettenbrille und die Spültaste mit einem Handtuch und wischte schließlich auch noch über den feuchten Kachelboden Das war’s so ziemlich im Bad. Fürs Erste zumindest. Eines war hier noch zu tun, aber das musste warten, bis ich bereit war, die Wohnung zu verlassen.
    Ich ging den Flur entlang ins Wohnzimmer und holte meine Handtasche. Neben der Eingangstür sah ich einen Diplomatenkoffer aus braunem Leder auf dem Boden stehen, der mir zuvor nicht aufgefallen war.
    Ich wusste sofort, was darin war.
    Ich ging neben dem Koffer in die Hocke, legte ihn flach auf den Boden, ließ die Schlösser aufschnappen und klappte den Deckel hoch.

    Der Koffer war voller Geld.
    Saubere Bündel von Ein‐, Fünf‐, Zehn‐ und Zwanzigdollarscheinen füllten ihn bis zum Rand. Murphy war meinen Wunsch nach kleinen Scheinen also doch nachgekommen.
    Vielleicht war das seine Art von Humor.
    Ich hätte es bestimmt ziemlich witzig gefunden, wenn er mir das Geld gegeben hätte.
    Aber jetzt war mir das Lachen vergangen.
    Ich versuchte es mit einem gequälten Lächeln, aber stattdessen kamen mir die Tränen.
    Ich heulte wie ein Schlosshund.
    Auch wenn Sie es nicht glauben, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas Herzzerreißenderes gesehen als diesen Koffer mit fünftausend Dollar in kleinen Scheinen. Die Tränen strömten mir nur so übers Gesicht, und mein ganzer Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt.
    Schließlich legte ich mich bäuchlings auf den Wohnzimmerboden und schluchzte in meine übereinandergekreuzten Arme.
    Als mir schließlich die Tränen ausgingen, fühlte ich mich leer und ausgepumpt und war wieder gefährlich nahe am Einschlafen. Also zwang ich mich aufzustehen. Ich ließ den Koffer offen liegen, rannte in die Küche und riss mir ein paar Papiertücher von der Rolle über der Spüle. Damit bedeckte ich meine Hände, während ich nacheinander die Schubladen in den Küchenschränken aufzog.
    In einer fand ich Murphys Vorrat an sorgfältig zusammengelegten Einkaufstüten, von denen ich mir zwei nahm, ineinandersteckte und mit zurück ins Wohnzimmer nahm.
    Ich packte mein Geld Bündel für Bündel in die große doppelte Papiertüte. Dann klappte ich den leeren Koffer zu und trug ihn in die Küche, wo ich ihn neben Murphys Arbeitstisch auf den Boden stellte und Griff sowie Schlösser mit einem Papiertuch sorgfältig abwischte.
    Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, als Nächstes im Schlafzimmer klar Schiff zu machen, aber plötzlich verspürte ich das Bedürfnis, zuerst die Küchenarbeit zu erledigen. Also ging ich ins Wohnzimmer und holte die Bierkrüge und das Wasserglas, spülte alles sorgfältig,

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