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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Rücken.

    Zurück nach Hause
    Haben Sie sich schon einmal von einem Augenblick auf den anderen völlig frei von Angst gefühlt? Ich fühlte mich so, als ich von Judys Auto wegging: Wunderbar erleichtert und unglaublich frei.
    Ich hatte es geschafft!
    Ich hatte die letzte Verbindung zu der Serie von Unglücksfällen und/oder Verbrechen gekappt, die letzte Nacht mit Tonys Tod ihren Anfang genommen hatte. Gut, es gab noch einige Dinge wie das Geld und das Buch mit der Widmung, aber die machten mich nicht zwangsläufig verdächtig.
    Ich war noch einmal davongekommen und konnte nun nach Hause gehen.
    Nur dass es bis zu meinem Zuhause noch etliche Meilen waren.
    Die Einkaufstüte war so schwer, dass ich sie nur tragen konnte, wenn ich sie mir mit beiden Händen an die Brust drückte.
    Das wird ein beschwerlicher Marsch.
    Ich hatte den Parkplatz noch nicht verlassen, als mir ein paar Jungen und Mädchen auffielen, die durch die Reihen der parkenden Fahrzeuge zu den Autos ihrer Eltern liefen. Sie hatten alle Schulranzen auf dem Rücken.
    Ein Schulranzen! Das war die Lösung!
    Ich machte kehrt und ging in das Einkaufszentrum.
    Es war ein schönes Gefühl, an einem so vertrauten Ort zu sein.
    Normalerweise verging keine Woche, in der ich hier nicht ein paar Stunden verbrachte, mir einen kleinen Schaufensterbummel gönnte und im Restaurant etwas Gutes aß. Das Einkaufszentrum war ein ruhiger, angenehmer Ort – außer dem Multiplex‐Kino hier in ehester eigentlich der Einzige, den aufzusuchen sich lohnte.
    Besonders gefiel mir daran, dass man hier ziemlich anonym bleiben konnte.

    Ziemlich, aber natürlich nicht ganz.
    Wenn man ein Geschäft oder ein Restaurant öfter aufsucht, fangen die Beschäftigten langsam an, sich an einen zu erinnern.
    Natürlich wissen sie nicht deinen Namen – außer du sagst ihn oder bezahlst per Kreditkarte oder Scheck –, aber dein Gesicht kennt der eine oder andere vielleicht doch.
    Möglicherweise kannten sie mein Gesicht sogar schon gut genug, um sich zu wundern, weshalb ich auf einmal eine knallrote Perücke trug.
    Deshalb suchte ich, kaum hatte ich das Einkaufszentrum betreten, erst einmal die Damentoilette auf.
    Meines Wissens ist es in Kalifornien per Gesetz verboten, Videokameras in Toilettenkabinen anzubringen. Auch wenn es mich ziemlich aufregt, dass man sich in diesem Staat nicht einmal die Nase putzen kann, ohne ein Verbrechen zu begehen, finde ich dieses Gesetz ausnahmsweise wirklich gut. Wer will schon, dass einem irgendein geiler Perversling vom Sicherheitsdienst beim Verrichten intimster Geschäfte zusieht?
    So gut wie überall sonst dürfen sie einem mit versteckten Kameras hinterherspionieren, nur auf dem Klo nicht.
    Und deshalb ging ich jetzt dorthin.
    Okay, nicht nur deshalb. Zunächst erledigte ich das, was man dort normalerweise tut, denn erstens musste ich, und zweitens war die Kabine erfreulich sauber. Unglaublich, aber wahr: Meine Vorgängerin hatte doch tatsächlich die Spülung betätigt, was auf öffentlichen Toiletten heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Doch damit nicht genug, sie hatte es sogar geschafft, weder auf noch vor der Klobrille eine Pfütze (oder Schlimmeres) zu hinterlassen. Ich war ihr zutiefst dankbar dafür.
    So eine Frau hätte ich gerne persönlich kennengelernt!
    Egal.
    Ich hängte meine Handtasche an den Haken an der Tür, stellte die Einkaufstüte auf den Boden und zog mir unter dem Rock das Höschen bis zu den Fußknöcheln hinunter. Dann hielt ich mein Hinterteil über die Schüssel, ohne die Klobrille zu berühren. (Selbst wenn so eine Brille sauber aussieht, muss man nicht unbedingt mit ihr in Kontakt kommen. Man weiß ja, was man sich da alles holen kann.)
    Das Toilettenpapier war natürlich alle. Das gab einen Minuspunkt, aber zum Glück hatte ich ein paar Papiertaschentücher in meiner Handtasche.
    Schließlich drückte ich auf den Spülknopf.
    Ich mag ein paar schlimme Dinge in meinem Leben getan haben, aber ich habe noch nie eine Toilettenkabine verlassen, ohne hinuntergespült zu haben.
    Wer das nicht tut, ist für mich ein Schwein.
    Nachdem ich mein Höschen wieder hochgezogen hatte, nahm ich die Perücke ab und steckte sie in meine Einkaufstüte.
    Sonst noch was?
    Natürlich!
    In der engen Klokabine war es zwar nicht einfach, aber mit einigen Verrenkungen schaffte ich es, tief in die Einkaufstüte zu greifen und ein paar Bündel Banknoten herauszuholen. Von jedem Bündel nahm ich mir ein einige Scheine, sodass ich

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