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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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überlegte ein paar Sekunden und sagte dann: »Wenn sie sich uns hätten krallen wollen, dann hätten sie es wohl längst getan.«
    »Anzunehmen.«
    »Wahrscheinlich wollten sie uns nur einen Schreck einjagen.«
    »In diesem Fall können wir ja einfach weiterfahren«, meinte ich.
    »Den halben Weg haben wir schon geschafft.«
    »Kein Zurück mehr?«
    »Nö.«
    »Also weiter.«

    Sie schaute mich an. Wieder konnte ich über ihren Gesichtsausdruck nur spekulieren. »Können Sie sich vorstellen, was solche Typen wie die in dem Cadillac mit Tony anstellen würden, wenn sie ihn in die Finger bekämen?«, fragte sie.
    »Mit Tony?«
    »Ja.«
    »Bestimmt nichts sonderlich Angenehmes.«
    »Da würde ich ja gerne zuschauen«, erklärte Judy.
    »Holla! Was soll denn das auf einmal? Ich dachte, Sie wollten ihn retten!«
    »Stimmt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich ihm ein glückliches und erfülltes Leben in Gesundheit und Wohlstand wünsche. Nicht nach dem, was er mir angetan hat – und Ihnen auch.
    Irgendwie hätte ich nichts dagegen, wenn ein paar Freaks ihn gründlich verdreschen würden.«
    »Ich habe ja schon einen ganz guten Anfang gemacht«, erinnerte ich sie.
    »Stimmt, aber solche Cadillac‐Typen schlagen schon ganz anders zu!«
    »Also echt, Judy, Sie schockieren mich ja richtig.«
    »Na klar!«
    »Helfen Sie mir mal auf die Sprünge: Wieso fahren wir eigentlich in den Wald? Um ihn zu retten?«
    »Gute Frage.«
    »Vielleicht sollten wir wirklich umdrehen.«
    »Nein«, sagte Judy. »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es meine Schuld ist, dass er heute Nacht da draußen ist. Ich habe ihn verrückt gemacht. Zuvor war Tony ein ganz guter Kerl. Es ist meine Schuld, dass er mich verprügelt hat, und es ist meine Schuld, dass er dich angegriffen hat.«
    »Das ist doch absurd.«
    »Nein, es ist wahr. Ich habe ihn so weit gebracht, und jetzt muss ich ihm helfen.«
    »Ob Sie wollen oder nicht?«
    »Nein. Ich will es. Wir hatten … wir hatten Spaß zusammen.
    Bevor er übergeschnappt ist.«
    »Tut er Ihnen leid?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich war mal in ihn verliebt, und jetzt kann ich nicht so tun, als wäre nie was gewesen. Er war für eine Weile der wichtigste Mensch in meinem Leben.
    Was wir zusammen erlebt haben, ist noch immer ein Teil von mir und wird es immer bleiben … trotz allem.«
    »Sie sind verrückt«, sagte ich.
    Sie lachte leise. »Finden Sie?«
    »Ja. Sie klingen so, als wenn Sie noch immer in ihn verknallt wären.«
    »Vielleicht bin ich das noch. In den Tony, der er früher war.«
    »Aber diesen Tony gibt es nicht mehr.«
    »Das weiß ich doch. Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Aber trotzdem bin ich ihm noch was schuldig. Für die guten Zeiten mit ihm und weil ihm diese ganze Scheiße nur wegen mir passiert ist.«
    »Wollen Sie sich wieder mit ihm versöhnen?«
    Sie lachte laut auf. »Absolut nicht!«
    »Warum denn nicht? Wenn wir ihn finden, nehmen Sie ihn mit nach Hause, damit er sein Auto abholen kann, und bevor Sie bis drei zählen können, sitzt er bei Ihnen in der Wohnung, trinkt ein Bier und einen Kaffee, und zack, schon fallt ihr übereinander her.«
    »Niemals!«
    »Klar. In fünf Minuten seid ihr im schönsten Nahkampf.«
    »Quatsch!«, prustete sie los und klatschte lachend mit der Hand auf mein Bein. »Garantiert nicht! Nicht in hunderttausend Jahren!«
    Ich wusste zufällig, wie recht sie damit hatte.
    »Aber Tony wünscht sich nichts sehnlicher als das«, sagte ich. »Er will Sie wiederhaben.«
    »Kann schon sein, aber ich will ihn nicht!«

    »Er hat die ganze Zeit so getan, als ob ich Sie wäre.«
    »Was hat er denn getan?«
    »Beim Sex hat er immer die Augen geschlossen und mich Judy genannt.«
    »Mein Gott!« Sie klang entsetzt. »Ohne Scheiß?«
    »Ja! Sogar heute Nacht auf dem Picknicktisch.«
    »Als er Sie vergewaltigt hat?«
    »Klar! Er sagte so Sachen wie >Na, wie gefällt dir das, Judy? Na?
    Bin ich groß genug für deinen Geschmack? Oh, Judy! Ooooh, Judy, du bist so eng und feucht, Judy. Ich liebe deine enge feuchte Muschi, Judy!<«
    »Das hat Tony gesagt?«
    »Nicht wörtlich. Ich habe es ein bisschen entschärft. Er hat nicht
    >Muschi< gesagt.«
    »Oh.« Sie starrte auf die Straße. Ihr Gesicht wirkte im Mondlicht ganz grau, aber in Wirklichkeit war es bestimmt puterrot.
    »Genau da habe ich ihm die Tequilaflasche über die Rübe gezogen«, erklärte ich.
    »Gut gemacht.«
    »Wie gesagt, die Männer sind Schweine.«
    »Tony schon, das gebe ich

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