Nacht
schloss sie ab. Dann probierte sie am Knauf, ob sie auch wirklich abgesperrt war, was mit Sicherheit alle Fingerabdrücke beseitigte, die ich vorhin dort hinterlassen hatte.
Nebeneinander gingen wir ohne etwas zu sagen den Gang entlang zur Haustür.
»Wo haben Sie Tonys Wagen denn abgestellt?«
»In der Tiefgarage.«
»Hier in unserer Tiefgarage?«
»Ja.«
»Und haben Sie einen leeren Stellplatz gefunden?«
»Den mit dem Buchstaben L. Ist das okay?«
»Ja. Das ist genau neben meinem.«
Auf der Treppe fragte sie: »Wieso lassen wir ihn nicht einfach stehen und nehmen meinen Wagen?«
»Wollen Sie das wirklich?«, fragte ich.
Und wie passt das in meinen Plan?
Nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt einen konkreten Plan gehabt hätte.
»Mitten in der Nacht in den Wald zu fahren ist eine ziemlich haarige Angelegenheit. Da würde ich gerne meinen eigenen Wagen nehmen. Bei dem weiß ich wenigstens, dass er keine Panne haben wird.«
»Okay. Wie Sie wollen.«
»Und Sie sagen mir, wie ich fahren muss.«
Unten in der Garage waren wir ganz allein.
Meine Slipper klapperten laut auf dem Betonboden, während Judys Turnschuhe so gut wie keine Geräusche machten.
»Wenn wir Tony finden, dann bringen wir ihn hierher, damit er mit seinem eigenen Wagen nach Hause fahren kann. Außer natürlich, wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen.«
»Da steht sein Wagen«, sagte ich.
»Ja.«
Der Wagen sah gut aus. Auf dem Kofferraumdeckel und der hinteren Stoßstange glänzten ein paar Wassertropfen, aber ansonsten sah ich nichts, was mich beunruhigt hätte.
»Ist ein guter Stellplatz«, sagte Judy. »Hier parken nur Gäste, und falls Tony ins Krankenhaus muss, können wir ihn auch ein paar Tage hier stehen lassen.«
»Das wird ganz bestimmt nicht nötig sein«, sagte ich.
Fahrt durch die Nacht
»Aber aufregend ist das schon, oder?«, fragte Judy, als wir aus der Tiefgarage fuhren.
»Was ist aufregend?«
»Mitten in der Nacht einfach loszufahren.« Sie bog in die Straße ein und gab Gas. »Normalerweise bin ich um diese Zeit längst im Bett.«
»Ich auch«, sagte ich, aber ich hörte ihr nicht richtig zu, weil ich so erleichtert war. Endlich war ich Tony los.
Ich war frei!
Tony und sein Auto waren weg!
Adios, muchacho!
Ich würde mich nie um Tony kümmern müssen, und niemand würde je erfahren, was ich getan hatte.
Nicht einmal Judy.
Ich schaute zu ihr rüber. Sie drehte aufgekratzt den Kopf hin und her wie eine Touristin auf einer Stadtrundfahrt. Viel zu sehen gab es allerdings nicht, es sei denn man interessierte sich für leere Straßen, trübe Hausbeleuchtungen und undurchdringliche Finsternis.
»Sie haben recht«, sagte ich zu Judy. »Es ist wirklich aufregend, so durch die Nacht zu fahren.«
»Und irgendwie gruselig.«
»Richtig gruselig wird es erst, wenn wir im Wald sind!«
»Ich kann’s kaum erwarten.«
»Finden Sie hin?«, fragte ich.
»Zu Millers Woods schon, aber nicht zu diesem Picknickplatz.
Und Sie?«
»Ich kenne den Weg gut.«
Wir näherten uns der Innenstadt. »Fahren Sie lieber nicht durch die Central Street«, sagte ich. »Als ich herkam, hingen da ziemlich seltsame Typen rum.«
»Auf seltsame Typen können wir verzichten«, erklärte Judy und bog in dieselbe Straße ein, die auch ich auf der Hinfahrt genommen hatte. Sie sah verlassen aus.
»Je weniger Leute uns sehen, desto besser«, sagte ich.
»Stimmt. Zwei Mädchen allein ….«
» … können ziemlich leicht Schwierigkeiten bekommen.«
»Wollen Sie mir Angst machen?«
»Nein. Aber ein bisschen aufpassen sollten wir trotzdem. Man weiß ja nie, wer nachts so unterwegs ist.«
»Die meisten Leute sind schon okay«, sagte Judy.
»Kann sein, aber die meisten Leute fahren auch nicht um diese Uhrzeit herum.«
»Wir sind doch unterwegs!«
»Wir sind die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ansonsten treiben sich um diese Zeit fast nur Irre herum.«
»Sie sind ja eine echte Optimistin«, grinste Judy.
»Da haben Sie recht.«
»Vielleicht läuft uns ja unser Traummann über den Weg.«
»Den wir dann über den Haufen fahren.«
Judy lachte laut auf. »Sie sind mir vielleicht ein Luder!«
»Stimmt, das bin ich.«
»So was erkenne ich auf den ersten Blick. Ich bin nämlich auch eins.«
»Sie sollen ein Luder sein? So nett wie Sie sind?«
»Ich bin eben ein nettes Luder.«
Normalerweise hätte ich jetzt gelacht, denn sie hatte das wirklich hübsch gesagt. Aber stattdessen hätte ich am liebsten losgeheult.
Da fuhr diese Judy
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