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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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auf einer völlig überflüssigen Rettungsaktion durch die Nacht und freute sich so, dass sie endlich mal ein Abenteuer erleben durfte. Sie war einerseits nervös und andererseits ganz gespannt und aufgekratzt, plapperte niedliche Sachen daher und hatte keine Ahnung, dass sie bald tot im Wald liegen würde.
    Wenn man darüber nachdachte, konnte man schon traurig werden, und während ich neben Judy auf dem Beifahrersitz saß, musste ich ständig darüber nachdenken.
    Das war Judys letzte Autofahrt.
    Zu schade, dass sie keine hässliche, eingebildete, blöde Zicke war.
    Dann hätte ich mich nicht so mies gefühlt.
    »Alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragte Judy nach einer Weile.
    »Soweit ja.«
    »Sie sind so still. Machen Sie sich Sorgen wegen der Irren?«
    »Aber klar doch.«
    »Solange wir im Auto sind, kann uns nichts passieren. Und aussteigen müssen wir hier nicht.«
    »Hoffen wir’s.«
    Wir hatten fast die Stadtgrenze erreicht, als Judy plötzlich »oh!«
    machte.
    »Was ist denn?«
    »Da kommt er schon, Ihr Irrer.«
    »Wo denn?«
    »Ich sehe ihn im Rückspiegel.«
    Ich drehte mich nach hinten und sah, dass sich Scheinwerfer näherten.
    »Mann«, sagte Judy. »Hat der einen Zahn drauf!«
    »Fahren Sie ganz normal weiter. Bloß nicht schneller werden.
    Vielleicht ist es die Polizei.«
    »Das wäre mir nur recht.«
    Das Auto kam rasend schnell heran.
    »Scheiße, was macht der denn da?«, platzte Judy heraus.
    Die Scheinwerfer schienen voll in unser Heckfenster und blendeten sie im Rückspiegel.
    »Mein Gott!«, schrie Judy. »Der will uns rammen!«
    Aber im letzten Augenblick brach das Auto nach links aus und schob sich neben uns. Einen Augenblick schien es, als wollte es uns lediglich überholen, doch dann verlangsamte es die Geschwindigkeit und fuhr neben uns her.
    Es war kein Polizeiauto.
    Die Polizei fährt keine klapprigen alten Cadillacs, zumindest nicht in ehester und auch in keiner anderen Stadt, die ich kenne. Die Karre war so ein fetter, alter Spritfresser, der eigentlich auf den Schrottplatz gehörte und nicht auf die Straße.
    Während das Blechungeheuer mit röhrendem Auspuff neben uns herfuhr, glotzten seine Insassen zu uns herüber.
    Es waren zwei Kerle.
    Judy sah sie nur kurz an, bevor sie wieder nach vorne blickte.
    Ich beugte mich nach vorn und schaute an ihr vorbei. Den Fahrer des anderen Wagens konnte ich nur schlecht sehen, aber der Typ auf dem Beifahrersitz sah ziemlich hartgesotten aus und gaffte unablässig zu uns herüber. Er hatte einen streichholzkurzen Bürstenschnitt und schien nicht viel älter als achtzehn zu sein. In seinem Mundwinkel hing eine brennende Zigarette. Außerdem hatte er kein Hemd an.
    »Was für ein Herzchen«, murmelte Judy, als spräche sie mit der Windschutzscheibe.
    »Nicht reagieren. Schau nicht rüber zu ihm.« Während ich das sagte, lehnte ich mich zurück und blickte ebenfalls stur geradeaus.
    Ein paar Sekunden später beschleunigte der Cadillac und zog Zentimeter vor unserer Stoßstange herüber auf unsere Spur. Judy trat so stark auf die Bremse, dass ich nach vorne geschleudert wurde. Sie streckte den rechten Arm aus und versuchte, mich aufzuhalten, was ihr aber nicht gelang. Ich musste mich mit beiden Händen am Armaturenbrett abstützen, um nicht gegen die Windschutzscheibe zu knallen. Der Cadillac fuhr weiter.
    »Alles okay?«, fragte Judy.
    »Ja. Danke.«
    »Scheißkerle.«
    Wir krochen im Schneckentempo dahin, und der Cadillac beschleunigte weiter, bis er hinter einer Kurve verschwand.
    Judy gab ein bisschen mehr Gas und holte tief Luft. »Vielleicht schnallen Sie sich besser an.«
    »Lieber nicht.«
    »Warum?«
    »Weil ich was gegen Sicherheitsgurte habe. Lieber klebe ich an der Windschutzscheibe.«
    »Aha?« Sie schaute mich an, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, ob sie lächelte, grinste, oder eine Grimasse schnitt. »Ich schnalle mich immer an«, sagte sie. »Sicher ist sicher.«
    »Trauen Sie denn Ihren eigenen Fahrkünsten nicht?«
    Sie lachte.
    Wir glitten um die Kurve. Vor uns war die Straße dunkel, nur der Mond schimmerte auf dem Asphalt. Der Cadillac war verschwunden.
    »Ob sie wohl weg sind?«, fragte Judy.
    »Sieht so aus. Aber man kann nie wissen.«
    »Vermutlich haben die nur rumgealbert.«
    »Kann schon sein.«
    »Hätte aber auch ganz anders sein können. Vielleicht war es doch nicht so eine tolle Idee.«
    »Was?«
    »Nach Tony zu suchen. Wenn die beiden Typen Ernst gemacht hätten …«
    »Wollen Sie umdrehen und heimfahren?«
    Sie

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