Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
losgelacht, aber stattdessen stieß ich gleichzeitig mit Judy einen gellenden Schreckensschrei aus.
    Es hätte eine Szene aus der »versteckten Kamera« sein können, aber leider war es bittere Realität.
    Der Typ war eine echte Missgeburt, und als ich an ihm vorbei einen Blick in sein Zelt warf, sah ich im flackernden Schein des Feuers die Umrisse eines Frauenkörpers, vermutlich eines toten Frauenkörpers.
    Ich hob die Pistole und drückte ab.
    Besser spät als gar nicht. Um ehrlich zu sein, hatte ich Mühe, die Waffe mit der linken Hand aus der Tasche zu ziehen. Und als ich sie endlich draußen hatte, musste ich sie erst noch in die richtige Hand nehmen.
    Mehrmals hintereinander drückte ich den Auslöser.
    Peng‐peng‐peng‐peng‐peng.
    Auch wenn ich den Mann, geblendet durch das Mündungsfeuer, nicht sonderlich gut sehen konnte, war ich mir doch ziemlich sicher, dass meine Kugeln alle getroffen hatten. Ich schieße nicht schlecht, und auf diese Entfernung konnte man ein so großes, dickes Ziel gar nicht verfehlen.
    Der Typ fiel aber trotzdem nicht um.
    Die Zweiundzwanziger hatte einfach ein zu geringes Kaliber für ihn.
    Kurz bevor er sich auf mich stürzte, sprang ich zur Seite weg und feuerte weiter. Er versuchte, mir hinterherzukommen, aber er war zu schwerfällig für diesen schnellen Richtungswechsel und rannte auf Judy zu, die mit dem rechten Bein nach ihm trat.
    Vermutlich hatte sie auf seine Eier gezielt. Ich hörte, wie ihre Fußsohle irgendwo auf seine nackten Haut traf, aber er reagierte nicht, sondern donnerte mit voller Wucht in Judy hinein.
    Mit einem feuchten Schmatzen klatschte sein Körper gegen ihren.
    Judy stieß einen Schrei aus und wurde nach hinten geworfen. Sie schwang wild an ihrem Strick hin und her. Der Mann taumelte noch ein paar Schritte weiter, dann drehte er sich um und stampfte wieder los in meine Richtung.
    Judy schwang immer noch wie Tarzan an der Liane hin und her.

    Ich glaube nicht, dass es Absicht war, denn sie hing völlig hilflos an ihrem Strick.
    Aber was sie dann tat, war Absicht.
    Als der Kerl auf mich zu torkelte, hob Judy eines ihrer schlanken nackten Beine und trat damit nach seinem Hinterkopf. Sie traf ihn so fest, dass sie heftig zurückschwang und sich mehrfach um die eigene Achse drehte.
    Der Kerl grunzte laut auf, geriet ins Stolpern und fiel auf die Knie.
    Ich rannte hinüber zu ihm und schoss ihm aus nächster Nähe in seinen kahlen Schädel, bevor ich wieder einen Schritt rückwärtsmachte und außerhalb seiner Reichweite um ihn herumtänzelte.
    Eigentlich hoffte ich, er würde umfallen wie ein Ochse nach dem Bolzenschuss.
    Stattdessen wimmerte und quiekte er nur und kroch auf allen vieren herum. Er versuchte aufzustehen.
    Ich warf einen Blick auf die Pistole. Wenn das Magazin leer gewesen wäre, hätte der Verschluss am hinteren Ende blockiert. Da das nicht der Fall war, hatte ich noch mindestens einen Schuss.
    Vielleicht sogar mehr. Aber einen mit Sicherheit.
    Den wollte ich nicht vergeuden.
    Als der Kerl schließlich wieder auf die Beine kam, rannte ich auf die andere Seite des Lagerfeuers. Wieder torkelte er tief gebückt auf mich zu, als wollte er mich umarmen, und immer noch hatte er in der linken Hand das Messer und in der rechten das Beil.
    Aus der Schusswunde an seinem Kopf quoll jetzt frisches Blut, das sich mit dem geronnenen Blut der toten Frau mischte. Er blutete außerdem aus mindestens vier oder fünf Einschusslöchern im Brust‐
    und Bauchbereich.
    Kennen Sie diese Zeichentrickfilme, in denen einer Figur, die erst von Kugeln durchsiebt wird und dann Wasser trinkt, die Flüssigkeit in fingerdicken Strahlen aus den Einschusslöchern rinnt?
    So ähnlich sah der Dicke aus.

    Nur dass das Blut nicht in dicken Strahlen rann, sondern eher aus ihm herausquoll wie aus dem Boden blubberndes Quellwasser.
    Ein derart zerschossener Kerl dürfte sich eigentlich nicht mehr auf den Beinen halten können. Und eine Erektion sollte er auch nicht haben. Was für eine Art Freak war das eigentlich?
    »Nun fall endlich um!«, brüllte ich ihn an. »Du bist tot, du gottverfluchtes Arschloch! TOT! Kapier das doch endlich!«
    Er hob ganz langsam den Kopf und öffnete die Lippen zu einem breiten Grinsen.
    Na toll. Es war vielleicht nur meine überreizte Fantasie, aber es kam mir vor, als könnte ich Fleischfetzen zwischen seinen braunen Zahnstummeln hängen sehen.
    Ich musste würgen.
    Der Mann blieb auf der anderen Seite des Feuers stehen und grinste mich weiter

Weitere Kostenlose Bücher