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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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an. Dann holte er mit dem rechten Arm aus, als wollte er sein Beil nach mir werfen.
    Ich zielte sorgfältig, schrie laut »Friss das!« und drückte ab.
    Statt wie geplant in sein immer noch offen stehendes Maul zu fliegen, durchschlug die Kugel seine rechte Backe und riss sein Ohrläppchen ab.
    Der Verschluss meiner Pistole rastete in der hinteren Stellung ein.
    »Scheiße!«, keuchte ich.
    Der Mann warf das Beil. Es zischte so knapp an meiner linken Schläfe vorbei, dass ich den Luftzug deutlich spüren konnte. Ich machte einen Schritt zur Seite und fiel hin.
    »Ahahaha!«, brüllte das Arschloch begeistert.
    Offenbar glaubte er, jetzt leichtes Spiel mit mir zu haben.
    Während der Kerl schwerfällig um das Feuer herumtorkelte, versuchte ich mich aufzurappeln, rutschte aber auf dem taunassen Gras aus. Gleich würde er bei mir sein.
    »Hau ab!«, kreischte ich aus vollem Hals. »Bleib mir bloß vom Leib!«
    Er grunzte nur. Und kam näher.

    Als er mich schon fast erreicht hatte, gelang es mir endlich, hochzukommen.
    »Du schaffst es, Alice!«, schrie Judy.
    Einmal Cheerleader, immer Cheerleader.
    »Los, schnapp dir sein Beil!«, rief sie.
    Daran hatte ich auch schon gedacht. Das Beil lag etwa fünf Meter hinter mir.
    Ich konnte hinrennen, aber um es aufheben zu können, brauchte ich einen Vorsprung, sonst würde sich der Fettsack sofort auf mich stürzen.
    »Verreck, du Schwein!«, schrie ich und rannte los.
    Er kicherte. War das zu fassen? Der Mistkerl kicherte!
    Vielleicht hatte er ja Grund dazu. Ich hatte ihm fast ein ganzes Magazin in den Wanst geballert, und er lebte immer noch. Und nicht nur das, er war mir sogar dicht auf den Fersen, und wenn ich mich nach dem Beil bückte, brauchte er sich nur auf mich fallen lassen. Einfach fallen lassen. Mit der Messerspitze nach unten.
    Ich bückte mich aber nicht nach dem Beil, sondern machte stattdessen einen Hechtsprung darauf zu und packte es, während ich über das nasse Gras darauf zu schlitterte, mit einer ausgestreckten Hand. Als ich es hatte, rollte mich auf den Rücken.
    Der Dicke sank selig lächelnd vor mir auf die Knie und beugte sich mit dem Messer zwischen den Zähnen herunter zu mir. Dann packte er meine Füße, schob sie mit einem wohligen Grunzen weit auseinander und zog mich langsam an sich heran.
    Ich fragte mich, was er vorhatte.
    Vermutlich wollte er mich näher bei sich haben, um irgendeinen Unfug mit mir anzustellen – sofern man es als »Unfug« bezeichnen kann, einen anderen Menschen zu vergewaltigen und umzubringen.
    Mit Sicherheit war er nicht ganz klar im Kopf.
    Wie sollte er auch, mit all den Kugeln im Leib?
    Ich spürte, wie ich auf dem Hintern näher an ihn heranrutschte.
    Er spreizte meine Beine immer weiter, bis es richtig wehtat. Hinter ihm hing Judy bewegungslos an ihrem Ast.
    Ich wartete, bis er mich nahe genug an sich herangezogen hatte, dann holte ich mit dem Beil aus und ließ es mit aller Kraft herabsausen. Es traf ihn mitten am Hinterkopf.
    KRACK!
    Das Beil spaltete ihm den Schädel und sank tief in die feuchte Pampe, die darunter lag. Aus dem entstandenen Spalt spritzten mir Blut und undefinierbare andere Dinge ins Gesicht.
    Das Arschloch grunzte.
    Und furzte.
    Und dann kippte es wie ein nasser Sack nach vorne.
    Der Kerl begrub mich halb unter seinem sterbenden Körper, als wollte er mich in letzter Sekunde noch mit seinem Fett ersticken, wobei sein dicker, gespaltener Kopf direkt in meinem Schritt zum Liegen kam. Ich zerrte an dem Beil, das noch immer in seinem Schädel steckte, und erst als es sich mit einem schmatzenden Geräusch löste und ich die Wunde sah, wusste ich, dass er tot war und ich gewonnen hatte.

    Überlebende
    Nach diesem Kraftakt war ich so ausgepumpt, dass ich am liebsten einfach liegen geblieben wäre, hätte ich nicht einen Toten zwischen den Beinen gehabt, der mir mit seinem gespaltenen Schädel die Jeans vollblutete.
    Also strampelte ich mich frei.
    Als der Fettsack von mir runterrutschte, atmete ich erst einmal tief durch. Ich wusste, dass es eine Menge zu tun gab, aber ich wollte mich trotzdem nicht bewegen.
    »Alice!«, rief Judy.
    »Ja?«, antwortete ich, ohne den Kopf zu heben.
    »Geht es dir gut?«
    »So weit schon.«
    »Ist er tot?«
    »Ziemlich sicher.«
    »Gott sei Dank. Du hast dich gut geschlagen. Und uns beiden das Leben gerettet.«
    »Stimmt.«
    »Kannst du mich bitte losschneiden?«
    Ich gab keine Antwort, sondern seufzte leise und blieb liegen.
    Nach einer Weile sagte Judy: »Kommst du

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