Nacht
jetzt bitte?«
»Warum hast du es so eilig?«, rief ich zurück.
»Weil meine Lage alles andere als angenehm ist.«
Was du nicht sagst.
Ich hing zwar nicht an einem Baum, aber besonders komfortabel war meine Lage trotzdem nicht. Mein ganzer Körper tat mir weh, und außerdem juckte es mich überall. Und dann waren meine Jeans auch noch total mit Blut und dem Hirn dieses toten Arschlochs versaut. Eigentlich hatte ich nur einen einzigen Wunsch: Ein langes, heißes Bad und dann ab ins Bett.
»Alice?«
»Was ist denn?«
»Kommt du jetzt bitte?«
»Ja, okay, ich komme schon.« Ich nahm das Beil, stand auf und sah mir noch einmal den Toten an. Er war kein schöner Anblick, das kann ich Ihnen sagen. Wenn Sie seinen Hintern gesehen hätten, wäre Ihnen mindestens eine Woche lang der Appetit vergangen.
Eigentlich suchte ich nach seinem Messer, das ihm aus dem Mund gefallen war, aber ich konnte es nirgends entdecken.
Vermutlich lag es unter ihm, aber um das herauszufinden, hätte ich ihn umdrehen müssen, und anfassen wollte ich den Kerl auf gar keinen Fall mehr.
»Was machst du denn da?«, fragte Judy.
»Nichts.«
Zum Glück war es mir gelungen, bei dem Kampf Tonys Slipper an den Füßen zu behalten. Ich setzte mich neben dem toten Fettsack ins Gras und trat ihm mit beiden Füße auf Höhe der Hüfte in die Seite, wobei ich mich mit den Armen am Boden abstützte.
Sein fetter Körper schwabbelte und wabbelte, bewegte sich aber kaum. Erst nachdem ich das Manöver mehrmals wiederholt hatte und ihn so in eine schaukelnde Bewegung versetzte, rollte die träge, tote Fleischmasse endlich widerstrebend zur Seite.
Das Messer lag etwas weiter unten, als ich vermutet hatte. Zum Glück hatte ich nicht versucht, es unter ihm herauszuziehen, denn sonst hätte ich vielleicht etwas ganz anderes in die Hand bekommen.
Wie dem auch sei, jetzt konnte ich es wenigstens aufheben, ohne würgen zu müssen.
Das Feuer war inzwischen schon wieder ziemlich weit heruntergebrannt. Im Gras neben der Feuerstelle fand ich die Pistole. Es war mir gar nicht bewusst gewesen, dass ich sie hatte fallen lassen. Als ich sie in die hintere Tasche der Jeans schieben wollte, bemerkte ich, dass dort drinnen noch immer der Stein steckte.
An der Feuerstelle legte ich Beil und Messer auf einen der größeren Steine und ging hinüber zu dem Haufen mit Feuerholz, nahm ein paar Äste und warf sie in die Flammen. Bald daraufloderte ein munteres Feuerchen.
Ich leerte meine Taschen aus und überprüfte, was ich noch so alles darin hatte.
Die Pistole. Zwei rote Halstücher und ein weißes Taschentuch.
Judys Schlüssel, Tonys Schlüssel, meine Schlüssel. Und Tonys Geldbörse. Einem Impuls folgend warf ich die Geldbörse und die Schlüssel ins Feuer.
»Was machst du denn da?«, fragte Judy.
»Müllentsorgung.«
Während ich die restlichen Sachen wieder in die Taschen steckte, züngelten die Flammen bereits um die Geldbörse und das schwarze Leder des Schlüsseletuis.
Damit sind meine Fingerabdrucke für immer verschwunden.
Die Schlüssel selbst würden natürlich nicht verbrennen, das war mir klar. Ich bin ja nicht blöd. Auch einige Dinge aus Tonys Geldbörse würden das Feuer überstehen, aber das war schon in Ordnung so. Wenn seine Sachen hier an diesem Lagerplatz gefunden wurden, hielt die Polizei Tony vermutlich für ein weiteres Opfer des fetten Arschlochs.
Ich warf noch etwas mehr Holz aufs Feuer und drehte die Geldbörse ein paarmal mit einem Zweig um, damit sie auch wirklich von allen Seiten brannte.
Als Nächstes warf ich das Beil ins Feuer, aber das Messer behielt ich. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass der Griff des Beils auch wirklich brannte, ging ich hinüber zum Zelt.
Auf halbem Weg aber kamen mir Bedenken. Zum einen hatte ich in dieser Nacht nun wirklich schon genügend schlimme Dinge gesehen, da musste ich mir die Überreste des letzten Opfers – oder der letzten Geliebten, der letzten Mahlzeit – des fetten Arschlochs nicht unbedingt aus der Nähe anschauen.
Zum Zweiten fragte ich mich, wieso ich das Risiko eingehen und im Inneren des Zeltes Spuren hinterlassen sollte. Ich weiß nämlich zufällig, dass man immer irgendetwas zurücklässt – Haare, Fingerabdrücke, Blutspuren, Speichel, Samen, Hautpartikel –, von Dingen wie Hüten oder Handschuhen ganz zu schweigen. In Los Angeles wurde sogar einmal ein Serienmörder gefasst, weil er seine Brieftasche an einem der Tatorte vergessen hatte. Solche Idioten gab es
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