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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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die Verluste in Afrika, macht dir das keine Sorgen?«
    Axel sah sich um. Er zischte: »Lass bloß niemanden hören, dass du so redest. Das ist Wehrkraftzersetzung, mein Freund! Darüber, was mit Europa geschieht, wenn wir nicht siegen, brauchst du dir keine Illusionen zu machen. Dann gibt es eine brutale jüdisch-bolschewistische Weltherrschaft. Das sage ich dir! Die Juden haben diesen Scheißkrieg angezettelt, die sind die Drahtzieher hinter den Kulissen. Wir müssen unsere große Idee einer europäischen Ordnung durchsetzen, oder der Kontinent geht unter. Für uns darf es nur den Sieg geben. Und die Gestapo gehört dazu. Es gibt kein Pardon. Deine rothaarige Hure ist verloren, und der Alte auch. Ich kann von Glück reden, wenn ich dich durchbringe.«
    »Was ist mit Gott? Vor ihm sind alle Menschen gleich. Er sieht’s bestimmt nicht gern, wie wir andere hinmorden, nur weil uns ihre Nase nicht passt.«
    »Ich habe auch meinen Glauben. Nicht wie die Kirche, Jesus und die Wunder und all das, solche Ammenmärchen gehen mit einem scharfen deutschen Verstand nicht zusammen, aber ich glaube an eine Gerechtigkeit und an eine gute Zukunft für die Menschheit. Schau nicht so skeptisch! Beim Glauben kommt es vor allem darauf an, dass man glaubt. Was man glaubt, ist gleichgültig.«
    Vom Planschbecken sah Anneliese zu ihnen herüber. Als er auf ihr Winken nicht reagierte, holte sie Lilli aus dem Wasser und machte sich, mit der Kleinen an der Hand, über die Wiese auf den Weg zu ihnen. Diesen besorgten Blick kannte er. Noch nie war er so berechtigt gewesen. Es waren ihr Bruder und ihr Großvater, die geopfert werden sollten. »Wie soll das gleichgültig sein?«, sagte er. »Was man glaubt, beeinflusst alles Denken und Handeln.«
    »Alle Vorgänge sind stoffliche Schwingungen. Mechanik, nichts anderes. In der Natur gibt’s die Gesetze der Trägheit, der Anziehung und Abstoßung und bei uns Menschen genauso.«
    »Das hat doch nichts mit gut und böse, mit richtig und falsch zu tun.«
    Axel zog ihn weiter weg. »Lass die ständigen Zweifel, die Grübelei und passe dich an die neue Zeit an. Ich sag dir, wie das ist: Trägheit ist Selbstliebe. Anziehung ist Liebe. Und Abstoßung der Hass. Das sind alles ganz natürliche Dinge. Wenn wir als Nationalsozialisten die Juden, die Russen und die Briten hassen, folgen wir dem Naturgesetz der Abstoßung. Auch du hast diese Empfindungen in dir.«
    »Aber ihr hasst nicht nur, ihr tötet! Einen Menschen umzubringen, das spürt doch jeder in seinem Gewissen, dass das nicht in Ordnung ist.«
    »In der Natur gibt es nichts, was gerecht oder ungerecht ist. Gut und Böse, das haben die Christen eingeführt. Dieser Gottglaube ist ein Wahnwitz, eine gefährliche Selbsttäuschung. Wir haben diese geistige Schwäche abgelegt und sehen den Fakten ins Auge: Die Natur kennt keine Schuld. Sie ist dem Werden und Vergehen gegenüber gleichgültig.«
    »Das heißt also, die Naturgesetze lenken mein Schicksal? Ich bin nur eine Marionette, eine Puppe, die von einer blinden Hand bewegt wird? Dann kannst du nichts dafür, dass du die Russen hasst, und ich kann nichts dafür, dass ich eine Ukrainerin liebe.«
    Lilli juchzte. »Papa!«
    Das kleine Kind zu sehen machte Axel vielleicht weicher. Georg fragte: »Wirst du uns verraten?«
    »Du stürzt uns alle in den Abgrund! Begreifst du das nicht? Du zerstörst unser Leben!« Axel fuhr verärgert mit der Hand durch die Luft.
    Er spürte, dass er fast gewonnen hatte. Axel wollte die Sache abschließen, bevor Anneliese sie hören konnte, er wusste ja, dass sie sich aufregen würde, wenn sie von dem Schicksal hörte, das Großvater und ihm, Georg, drohte. Noch einmal fragte er: »Verrätst du Nadjeschka und mich?«
    Der Schwager sah ihn zornig an. »Anneliese würde mir das nie verzeihen. Das weißt du genau. Du bist doch nur hier, weil du mich mit deiner Schwester erpressen willst.«
    Lilli rannte übers Gras und umarmte die Knie ihres Vaters. Auch Anneliese kam heran. Sie sah ratlos von einem zum anderen. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    Ein Zucken lief über Axels Gesicht. »Wenn irgendeiner von der Sache hört, wenn irgendjemand diese Frau sieht, ich lasse dich gnadenlos absaufen, Georg. Ich werde keine Minute zögern. Ich schicke den Greiftrupp los, sobald ihr mir gemeldet werdet, verlass dich drauf. Du bist gewarnt. Mir wird keiner nachsagen, dass ich da mit drinstecke.«
    »Sagt mir endlich, was passiert ist!«, bat Anneliese sichtlich aufgewühlt.
    Georg

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