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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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noch vor Wut. Dann wieder hieß es, er sei längere Zeit außer Landes, um irgendwelche großen Deals über die Bühne zu bringen, und es drohe keine Gefahr. Andere schworen, er sei wieder da, und sie hätten gehört, dass er Blut sehen wolle. Mein Blut. Schön, dachte ich. Da haben wir ja was gemeinsam, Serge. Ich will deines auch sehen.
    Das Verhältnis zu Linda und Matti war nach dem Überfall noch enger geworden. Die beiden begegneten mir jetzt nicht nur mit ehrlicher Freundschaft, sondern auch noch mit unverhohlener Bewunderung. Besonders Matti wollte genau wissen, wo ich denn so gut kämpfen gelernt hatte.
    »Komm schon, Ludmilla, ich will Einzelheiten«, stöhnte er stets, wenn ich ausweichende Antworten gab.
    Linda ließ mich in dieser Beziehung allerdings in Ruhe. Sie spürte, da ss ich nicht über Vergangenes reden wollte. Das machte sie in meinen Augen um so vertrauenswürdiger. Am Ende einer anstrengenden Nacht war ich mal kurz davor, ihr alles zu erzählen. Wir saßen allein an der Bar, und Linda sprach über ihre Zeit als Prostituierte.
    »Erst war es furchtbar«, stöhnte sie. »Aber mit Hilfe meiner Freunde Johnny Walker und Jack Daniels hab ich mich irgendwann dran gewöhnt. Das war eigentlich das Schlimmste. Ich hab gesoffen wie ein Löschblatt und kaum noch was gemerkt. Wenn Richard nicht gewesen wäre… wer weiß, ob ich nicht längst kalt im Sarg läge, Mädchen.« Si e lachte mit ihrer gurgelnd-rauen Stimme.
    Schließlich schwieg sie, sah mich lange an und sagte: »Du kannst mir vertrauen, Ludmilla. Warum erzählst du mir nichts von dir? Ich weiß, wie es ist, wenn man was mit sich rumschleppt. Pack aus, Mädchen. Ich kann schweigen wie ein Stein.«
    Ich schwankte. Das Bedürfnis, mir in diesem Moment alles von der Seele zu reden, wurde fast übermächtig. »Ich bin… anders«, begann ich, stockte und fand keine Worte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Linda nahm meine Hand. »Ja, du bist anders als alle, die ich kenne. Vor allem aber bist du einsam, Ludmilla. Erzähl mir doch, was dir passiert ist.«
    »Ich bin tot, Linda«, schrie ich, sprang auf und rannte in mein Zimmer. Dort lag ich lange auf meinem Bett und starrte an die Decke. Es wäre so schön gewesen zu reden. Doch letztendlich war ich froh, es nicht getan zu haben. Meine letzten Worte würden für Linda keinen Sinn ergeben. Was hätte es auch gebracht, meine menschliche Freundin mit meinem furchtbaren Geheimnis zu belasten.
    Grant hatte, was sein Publikum betraf, nicht übertrieben. Sein Laden war wirklich eine angesagte Adresse und wurde sogar von Prominenten besucht, die sich unseren leichten Hauch von Verruchtheit gerade noch leisten konnten. Gildas kultige Travestie-Nummer, eine »erotische Zauberin«, die sich während der Darbietung ihrer Tricks gekonnt auszog, und ein paar junge Musiker waren die Zugnummern unseres Programms. Und die Tatsache, dass auch immer wieder Größen aus dem Milieu mit ihren Herzdamen im Club anzutreffen waren, machte ihn für die Szenegänger gerade interessant. Die eine oder andere Unterweltgröße zu kennen galt in Schickeria-Kreisen als erstrebenswert.
    Eines Abends erschien eine junge Frau im Club, die mir sofort auffiel. Eine Bilderbuch-Schönheit. Langes, blondes Haar, gertenschlank, groß. Insgesamt eine ätherische, feingliedrige Erscheinung mit engelsgleicher Ausstrahlung. Sie kam allein, blickte sich kurz um und ging dann zielstrebig zur Bar. Ihr Gang war federnd. Sie trug einen kurzen Rock, eine tief ausgeschnittene Bluse, die ihren makellosen Rü cken freiließ, keine Strümpfe und hochhackige Schuhe. Matti warf ihr ein strahlendes Lächeln zu und sagte irgend etwas. Sie lächelte, antwortete, und Matti wandte sich seinen Flaschen zu und begann etwas zu mixen.
    Ich hatte die ganze Szene aus dem hinteren Teil des Clubs beobachtet. Plötzlich fragte ich mich, warum ich diese Frau so fasziniert anstarrte. Sicher, sie war auffallend hübsch. Aber eigentlich interessierte ich mich nicht sonderlich für andere Frauen.
    Kopfschüttelnd machte ich mich an die Arbeit und servierte einigen Gästen ihre Drinks. Anschließend ging ich mit einem Tablett voller gebrauchter Gläser an die Bar. Ein Mann, etwa Mitte Vierzig, hatte sich auf den freien Hocker neben der Blonden gesetzt und versuchte, ein Gespräch anzufangen. Er war offenbar angetrunken.
    »Darf ich Sie auf ein Glas einladen?« lallte er gerade. Die Frau ignorierte ihn und beobachtete Matti bei seiner Arbeit.
    »Hey, ich hab dich was

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