Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
Eingangstür auf. Alle fuhren erschreckt herum. Waren Serge und seine Leute zurück? Matti und Carl griffen zu den Waffen.
»Immer mit der Ruhe«, ertönte eine herrische Stimme. »Polizei! Finger weg von den Waffen.« Die Stimme kam aus dem Munde eines verdammt gutaussehenden Mannes, der von zwei anderen begleitet wurde. Matti und Carl wichen sofort zurück. Sie schienen den Mann zu kennen.
»Goldstein«, hörte ich Grants Stimme. Sie klang belegt. »Was treibt Sie hierher?«
»Ein Funkspruch aus der Zentrale. Einer ihrer Gäste hat bei uns angerufen und irgendwas von einem Überfall erzählt. Wir waren gerade in der Nähe, und da dachten wir: Schauen wir doch mal rein in Mr. Grants hübschen Club. Nun, der angebliche Überfall scheint vorbei zu sein, nicht wahr?«
Er lächelte. Aber seine Augen blieben eiskalt. Er sah uns nacheinander an. Als mich sein Blick traf, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich spürte sofort: dieser Mann war anders als alle, die ich bisher in meinem neuen Leben getroffen hatte. Er war ein Jäger wie ich. Unerbittlich und gefährlich. Auch Serge und seine Leute hatten bedrohlich gewirkt. Aber Goldstein hatte noch etwas anderes, Tiefgründigeres an sich. Er war etwa Ende Dreißig, mittelgroß, schlank, hatte dunkelbraune Augen und volles, schwarzes Haar, trug einen modischen Anzug und teure Schuhe. Langsam ging er zu dem Tisch mit den Waffen. Seine Bewegungen wirkten geschmeidig. Er war offenbar gut in Form. Seine beiden Kollegen hielten sich im Hintergrund, jeweils eine Hand unter dem Jackett.
»Und, nun«, sagte Goldstein mit leiser Stimme und hob eine der Pistolen hoch, »will ich wissen, was hier los war?«
Grant blickte zu Matti und flehte stumm um Hilfe.
»Nichts«, sagte Matti. »Dieser, äh, Anrufer hat wohl eine etwas blühende Phantasie. Wir haben lediglich ein paar Gäste aus dem Milieu gebeten, ihre Waffen doch nicht bei Tisch zu tragen, sondern hier abzulegen.« Er kicherte.
Goldstein ging mit drei schnellen Schritten auf Matti zu und gab diesem eine schallende Ohrfeige.
»Verarsch mich nicht, du schwuler Blödmann.«
Matti schwieg, verzog aber keine Miene.
Heiße Wut stieg in mir auf. Ich machte einen Schritt auf Goldstein zu.
»Ludmilla, nein«, zischte Grant. Goldstein fuhr herum und sah mich fragend an.
»Nun sieh mal an, wer ist denn das?« fragte er. »Borgen Sie sich Ihre Leute neuerdings von den Schülerlotsen, Grant?«
Er lächelte.
»Wenn Sie Lust haben, auch eine Frau zu ohrfeigen«, sagte ich, »nur zu. Wir haben lediglich ein paar Gäste gebeten, ihre Waffen abzulegen. Und das haben sie getan. Und dann haben sie die Dinger doch glatt hier im Club vergessen. Das war’s. Wollen Sie jetzt zuschlagen, Mr. Goldstein?«
Ich hielt ihm mein Gesicht hin. »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Sein Blick durchbohrte mich. Er sagte kein Wort. Ich konnte seine Aggressivität und seine Kraft in meinem ganzen Körper spüren. Er sendete die stärksten Impulse aus, die ich je von einem Menschen empfangen hatte.
Doch Goldstein sah mich nur an, drehte sich schließlich um, nickte seinen Leuten zu, und alle drei gingen in Richtung Ausgang. In der Tür wandte er sich noch einmal um.
»Sie scheinen Ärger zu haben, Grant. Es wäre besser, Sie reden mit uns, bevor jemandem etwas passiert. Aber immerhin machen Sie Fortschritte in der Auswahl ihres Personals.«
Er warf mir einen vielsagenden Blick zu und verschwand.
Ich erfuhr von den anderen, dass Michael Goldstein der Leiter der hiesigen Mordkommission war; ehrgeizig, hart und kompromisslos.
»Du hast es ja gesehen«, sagte Matti und rieb sich die Wange. »Der Mann schlägt schnell zu, und jeder weiß, dass bei ihm auch die Pistole ziemlich locker sitzt. Bisher jedoch konnten ihm keinerlei dienstliche Verfehlungen nachgewiesen werden. Wohl auch, weil seine Leute ihm hündisch ergeben sind und manches decken.«
»Aber er ist ungewöhnlich erfolgreich«, ergänzte Grant. »Goldstein gilt als unnachgiebiger Jäger, der nie aufgibt und sich wie besessen in seine Fälle kniet. Seine Abteilung ist bekannt für eine extrem hohe Aufklärungsquote. Und außerdem ist der Mann auch noch absolut unbestechlich.«
»Alle Achtung«, sagte ich. »Sauber wie ein biblischer Racheengel. Hat der Mann denn gar keine Achillesferse?«
»Doch«, sagte Matti. »Aber darauf spricht man ihn besser nicht an. Seine Frau Marian, eine erfolgreiche Schauspielerin, hat ihn wegen eines anderen verlassen. Ich kenne sie ganz gut. Sie kommt ab und
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