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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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Fenstern aus hinab auf die Stadt und den großen Park in der Nähe sehen. Sie war dezent und stilvoll möbliert.
    »Wenn du willst, kannst du sie natürlich selber einrichten. Die Möbel stammen noch vom Vormieter, der ziemlich plötzlich außer Landes mu sste.«
    »Nein, nein«, beeilte ich mich zu sagen. »Sie ist wunderschön. Es kann alles so bleiben. Ich würde sie gern nehmen, Grant. Was soll sie kosten?«
    »Die Miete übernehme ich, Ludmilla.«
    Er hob die Hand. »Und darüber möchte ich nicht diskutieren. Das ist sozusagen eine dienstliche Anweisung, die du als meine Angestellte zu akzeptieren hast.«
    Ich lachte und ließ mich in einen Sessel fallen. »Danke, Chef.«
    Grant legte die Schlüssel auf den Tisch. »Soll ich dir deine Sachen bringen lassen?«
    »Nein, ich komme noch mal mit in den Club und hole sie selber.«
    Ich wollte nicht, da ss irgend jemand meine kleine vampirische Bibliothek sah. Als ich ein paar Stunden später mit drei vollgepackten Taschen aus einem Taxi stieg, die Treppen hinaufeilte und schließlich meine Wohnungstür aufschloss, fühlte ich mich sofort wie zu Hause. Es war wirklich an der Zeit gewesen, ein eigenes Nest zu finden. Ich durchstöberte die Wohnung, bezog das Bett, ließ mich darauf fallen und schaltete den Fernseher ein. Nach ein paar Minuten gab es Nachrichten. Sie berichteten von Serges mysteriösem Tod. Ein Reporter stand vor dessen Haus: »Die Polizei geht davon aus, dass eine Gruppe paramilitärisch gedrillter Gangster das Domizil der bekannten Unterweltgröße gestürmt hat und den Hausherrn und vier seiner Männer tötete. Offensichtlich handelte es sich um eine Auseinandersetzung innerhalb der Rotlichtszene.«
    Anschließend wurde über die immer noch ungeklärte Mordserie in der Stadt berichtet. Kommissar Goldstein war kurz zu sehen und äußerte die üblichen Worthülsen. Er sah nicht besonders glücklich dabei aus. Als ich sein Gesicht auf dem Bildschirm sah, spürte ich wieder dieses sonderbare Verlangen nach diesem Mann. Was für eine absurde Situation! Da saß ich wie ein verknallter Backfisch in meiner schicken, neuen Wohnung und himmelte den Fernseher an. Und dabei war ich die Ursache für die blutleeren Leichen, von denen der Sprecher jetzt gerade mit unheilschwangerer Stimme sprach.
    Ich schaltete den Fernseher ab und lief unruhig hin und her. Einerseits stieß mich das eben Gesehene ab. Andererseits empfand ich keine Schuld. Ich musste töten, um zu leben. Ich hatte keine andere Wahl. Der Hunger kam zwar in immer größeren Abständen. Aber dann um so mächtiger und fordernder. Ich konnte ihn einfach nicht bezwingen. Und ich konnte meine Opfer nicht am Leben lassen. Wenn ich zubiss, lief alles nach einem zwanghaften Muster ab. Ich folgte dann willenlos einem uralten Instinkt, der mich zwang, meine Opfer zu töten. Und selbst wenn ich sie leben lassen könnte: sie würden reden, und schon bald hätte die Polizei meine detaillierte Beschreibung, und ich würde mich in Kürze als übernatürliche Laborratte in irgendeinem geheimen Labor wiederfinden. Nein, die Jagd musste weitergehen. Ob ich es nun wollte oder nicht.
    Ich ging ins Bad, zog mich aus und betrachtete meinen Körper. Abgesehen von den verheilenden Wunden war er makellos. Schlank, aber kraftvoll, sehnig und strotzend vor Energie. Wie der Körper einer Spitzensportlerin. Etwas bla ss, aber im Grunde nicht bleicher als jeder, der nachts arbeitete und tagsüber schlief. Ich gefiel mir in diesem Körper. Ich war stark und mächtig. Das hatte ich bewiesen, als ich meine Freunde gerächt hatte. Auch meine geistigen Kräfte wuchsen. Im Gegensatz zu früher wusste ich als Vampir immer genau, was ich wollte – auch wenn diese Selbstsicherheit ihren Preis hatte. Mit jedem Tag verlor ich mehr von meiner menschlichen Natur und wurde zu einem Wesen der Nacht. Nicht durch und durch schlecht, aber beherrscht von einer archaischen, bösen Kraft, die mich zwang, Menschen zu jagen.
    Doch hinter diesem neuen Gefühl der inneren Stärke lag noch etwas anderes verborgen. Ich wollte es verdrängen, aber das war sinnlos. Es war immer da, mal stärker, mal schwächer: das Gefühl von Einsamkeit, von endloser Verlorenheit im Meer der Zeit. Meine bisherige Zeit in »Grants Club« war nur eine Verschnaufpause gewesen. Wie sollte es jetzt weitergehen? Ich gehörte nirgendwo hin und wusste nicht, was werden sollte. Grant spürte, dass ich nicht menschlich war. Carl hasste mich. Matti war tot und Linda schwer verletzt.

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