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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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einladen?«
    »Vampire, Professor, Vampire.«
    »Sie sind also ein Vampir?«
    »Genau das, Professor.«
    »Und Sie erwarten, da ss ich Ihnen das glaube?«
    »Nun, vielleicht nicht sofort, Professor. Aber bald, sehr bald.«
    »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen«, sagte Barker und deutete mit der Hand zur Tür. »Sie sind eine hübsche junge Dame, aber offensichtlich nicht ganz bei Sinnen. Auf Wiedersehen.«
    Aber kaum war die letzte Silbe seiner Worte verklungen, da war ich schon mit übernatürlicher Geschwindigkeit an ihm vorbei zur Tür gerannt, schlug sie zu und hastete in eine andere Ecke des Flurs.
    Barker zuckte zusammen, als die Tür knallte und ich plötzlich verschwand, um danach vier Meter entfernt wiederaufzutauchen.
    »Ob Sie nun wollen oder nicht. Ich bin Ihr Gast«, sagte ich und lächelte. Die Sache machte mir allmählich Spaß.
    Barker stand mit offenem Mund im Flur. Er wurde blass, seine Augen weiteten sich. Er hatte begriffen. Die Welt des Übersinnlichen, über die er so oft geredet, gestritten und spekuliert hatte – hier hatte sie zum ersten Mal für ihn ihre Pforten geöffnet. Ein Wesen aus dieser phantastischen Welt stand vor ihm – in seinem eigenen Hausflur.
    »Ich mu ss mich setzen«, flüsterte er.
    »Aber sicher«, sagte ich. »Lassen Sie uns in Ihr Arbeitszimmer gehen.«
    Dort angekommen, ließ sich Barker in einen der schweren Sessel fallen und sagte erst einmal kein Wort. Er starrte mich nur mit durchdringendem Blick an.
    »Wahrscheinlich hoffen Sie immer noch, das Ganze hier würde sich rational erklären lassen, nicht wahr, Professor?« sagte ich.
    »Hoffen ist nicht das richtige Wort«, antwortete Barker. »Im Grunde habe ich lange auf so einen Moment gewartet, aber nun will ich mir nicht eingestehen, dass es tatsächlich soweit ist. Vielleicht hat mir jemand ein Halluzinogen ins Essen gemischt. Vielleicht haben Sie mich hypnotisiert. Es kann viele Erklärungen geben.«
    Er fingerte nervös eine Zigarette aus einer zerknitterten Packung und zündete sie an.
    »Und doch, Professor, spüren Sie, das es nicht so ist, nicht wahr?«
    Er schwieg.
    »Sehen Sie«, sagte ich, stand auf und ritzte mir mit meinem Fingernagel eine breite Schnittwunde in den Arm. Blut schoss hervor, aber schon nach Sekunden versiegte der Strom, und die Wundränder zogen sich wie in einer Zeitraffer-Aufnahme zusammen. Ich hielt Barker meinen Arm direkt vors Gesicht. Er sah, wie sich die Wunde endgültig schloss und spurlos verschwand.
    »Und nun, Professor, schauen Sie mir in die Augen. Sehen Sie nicht ein bi sschen merkwürdig aus?«
    Barker starrte mich wortlos an.
    Ich schürzte meine Lippen.
    »Und hier, das wohl bekannteste Merkmal meiner Art. Nicht so gigantisch wie im Kino. Aber immerhin: meine Reißzähne.«
    »Hören Sie auf!«
    Barker schlug die Hände vors Gesicht.
    »Es ist also wahr«, raunte er. »All die Geschichten. All die Mythen.«
    »Wie man’s nimmt«, antwortete ich. »Genaugenommen bin ich hier, um gemeinsam mit Ihnen herauszufinden, was wahr ist und was nicht. Sie haben das Wissen, die Bücher, die Theorien. Ich biete meine bloße Existenz. Als Studienobjekt, wenn Sie so wollen.«
    Barker stand auf. Mit langsamen Schritten ging er auf mich zu, hob eine Hand und fragte: »Darf ich Sie berühren?«
    »Natürlich, aber versprechen Sie sich nicht zuviel davon. Ich fühle mich nicht viel anders an als ein Sterblicher.«
    Er legte mir seine faltige Hand auf die Stirn, verweilte einen Moment und ging dann zurück an seinen Platz.
    »Sie müssen entschuldigen. Ich brauche etwas Zeit, um das alles zu verdauen«, sagte er.
    »Aber natürlich«, antworte ich lächelnd. »Bevor wir überhaupt weiterreden, muss ich noch eines unmissverständlich klarstellen, Herr Professor: Wenn Sie mit irgendeinem Menschen über mich reden… wenn Sie irgend etwas gegen mich unternehmen, werde ich Sie töten. Haben wir uns verstanden?«
    Barker wurde bla ss und nickte. »Ich habe verstanden.«
    Wir schwiegen eine Weile beide. Dann gab sich der Professor einen Ruck, richtete sich auf und fragte – wieder ganz Wissenschaftler: »Wie kommt es, da ss ein Vampir etwas über Vampire wissen will? Das klingt paradox.«
    »Nun, Professor. Ich will Ihnen erzählen, was mir passiert ist. Ich heiße übrigens Ludmilla und war noch vor einem Jahr ein Mensch.«
    Und dann erzählte ich ihm alles. Er hörte aufmerksam zu, rauchte ab und zu eine Zigarette, notierte gelegentlich etwas und schien mit jedem meiner Worte faszinierter

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