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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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hierherkommen und unterrichtet werden.«
    Ich nickte einfach nur stumm mit dem Kopf und versuchte, all das Gesagte zu verarbeiten.
    »Ich erwarte dich und die anderen wieder hier in einem Monat«, fuhr Var fort. »Du wirst lernen, welchen Platz du hier im Orden hast. Pia wird sich in der Zwischenzeit um dich kümmern und dich die ersten, elementaren Regeln lehren.«
    Dann war sie verschwunden. Von einer Sekunde zur anderen.

25 - PIA
    Die anderen saßen bewegungslos auf ihren Plätzen. Niemand sagte ein Wort. Plötzlich fühlte ich mich unwohl und sah hilflos zu Pia hinüber. Die aber hielt den Blick zu Boden gesenkt. Schließlich erhob sich die Vampirin namens Dinah. Sie war kleiner als Var und etwas kompakter. Ihre Augen hatten einen trüben, gelben Schimmer. Sie trug ihre Haare kurz und schien ihr menschliches Leben etwa mit vierzig Jahren beendet zu haben.
    »Ihr habt gehört, was Var gesagt hat. Ich erkläre das Treffen für beendet. Pia, du weißt, was du zu tun hast.« Ihre Stimme klang schneidend und unfreundlich. Sie starrte mich an und ging.
    Die Novizinnen und Solveigh erhoben sich und verschwanden ebenfalls. Pia nahm mich bei der Hand und führte mich aus dem Gewölbe hinaus. Schließlich standen wir beide draußen in der Dunkelheit. Alle anderen Vampire waren spurlos verschwunden.
    »Warum sind sie alle weg?« fragte ich.
    »Dinah hat schlechte Laune. Dann bleibt niemand länger, als er mu ss.«
    Ich runzelte die Stirn, aber Pia schien dies für eine ausreichende Erklärung zu halten, fa sste mich bei der Hand und zog mich in den Wald hinein. Wir gingen nebeneinander durch die Dunkelheit. Pia summte leise eine Melodie.
    »Warum habe ich im Club nicht erkannt, da ss du wie ich bist?« fragte ich nach ein paar Minuten, in denen ich das gerade Erlebte zu verarbeiten versucht hatte.
    »Weil ich es nicht wollte, Ludmilla. Weil es nicht sein durfte, und weil ich natürlich Kontaktlinsen trug. Hier, sieh mal, wie meine Augen wirklich aussehen.«
    Sie blieb stehen, drehte mich an den Schultern zu sich herum, schob ihre Kapuze nach hinten und sah mich an. Ihre Augen waren die exakte Kopie der meinen. Die gleichen, leicht geschlitzten Pupillen, die gleiche sonderbare Farbe zwischen Blau und sporadisch schimmerndem Rot.
    »Siehst du, uns beide verbindet viel. Wir sind besondere Schwestern. Wir haben die gleichen Augen, Ludmilla. Andere sind anders geformt, haben andere Farben. Wir sind so etwas wie… ja, wie Zwillinge.«
    Sie lachte.
    »Damals, als du mich auf dem Hügel gesehen hast, Ludmilla. Da habe ich dir kurz ein Signal gesandt, weil ich spürte, da ss du so einsam warst. Du darfst das nie Var oder Dinah erzählen. Es war verboten.«
    Ich nickte.
    »Wie alt bist du, Pia?«
    Sie antwortete nicht gleich, runzelte die Stirn und sagte dann mit leiser Stimme: »Ich starb als Mensch im Jahre 1871. Ganz Europa blickte damals auf Deutschland und Frankreich, die sich im Krieg befanden. Ich war die Tochter eines Schneiders und sollte bald heiraten. Ich habe den Mann geha sst. Meine Eltern hatten Schulden bei ihm, und ich sollte der Preis dafür sein, dass er sie nicht ruiniert. Sie wollten es nicht tun, aber ich habe ja gesagt. Aber es kam nicht dazu. Am 3. September 1872, zwei Tage nach der berühmten Schlacht von Sedan, in der Deutschland Frankreich besiegte, kam Var eines Nachts zu mir und nahm mich mit. Nach meiner Geburt war ich einsam und verwirrt wie du. Aber später, als mich die Schwestern aufgenommen hatten, bin ich zurückgekehrt und habe den Mann besucht.«
    Sie lachte.
    »Du weißt, Ludmilla, was ich für Besuche meine.«
    Ich nickte lächelnd, obwohl mir etwas unbehaglich war, weil sie soviel über meine Aktivitäten wu sste.
    »Nun, ich überzeugte ihn, da ss es besser wäre, meinen Eltern die Schulden zu erlassen. Und auch sonst wurde dieser Mann ein wahrer Wohltäter und spendete reichlich für die Armen. Ab und an sah ich nachts nach meinem Fast-Gemahl. Er lebte noch viele Jahre lang in ständiger Angst vor mir. Es war herrlich.«
    Sie schwieg und blickte eine Zeitlang stumm in die Dunkelheit.
    »Es ist so lange her«, sagte sie leise.
    Dann gingen wir weiter und erreichten schließlich das Ende des Urwaldes. Wir sprangen über den Zaun und standen auf dem Waldweg, auf dem ich Barker zurückgelassen hatte.
    »Komm, auf dem großen Parkplatz steht mein Auto. Damit fahren wir in die Stadt zurück«, sagte Pia. »Wenn du es möchtest, Ludmilla, dann begleite ich dich noch bis in deine Wohnung. Ich kann

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