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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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dich aber auch später besuchen, wenn dir jetzt nicht danach zumute ist.«
    »Nein, bitte komm mit«, sagte ich. »Ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart. Es ist schön, eine Schwester zu haben.« Ich hatte mich sofort zu Pia hingezogen gefühlt. Es war, als ob wir uns schon lange kannten: ein tiefes Einverständnis, das nicht viele Worte brauchte.
    Wenig später waren wir auf dem Weg zurück in die Stadt.
    »Ich habe so viele Fragen, Pia«, sagte ich, als wir über die einsame Landstraße rasten. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Sie lachte.
    »La ss dir Zeit. Davon haben wir nun wirklich genug.«
    Ich schwieg und beobachtete Pia. Diesen blonden, zarten Engel des Todes. Meine blutige Schwester.
    Sie bemerkte es, drehte den Kopf und sagte lachend: »Sieh mich ruhig an. Du wirst nichts finden, was dir verrät, dass ich schon über hundert bin. Alles fest und straff.«
    Schließlich waren wir bei mir, setzten uns im Dunkeln auf meinen Balkon und starrten gemeinsam in die Nacht hinaus.
    »Was macht ihr alle, wenn ihr nicht dort im Wald in dem Gewölbe seid?« fragte ich.
    »Wir leben wie gewöhnliche Menschen«, sagte Pia. »Wir arbeiten nachts, leben zurückgezogen und versuchen, nicht aufzufallen. Manche treffen sich regelmäßig, aber nicht alle. Es gibt Sympathien und Antipathien zwischen uns, genau wie bei den Menschen. Einmal im Monat ruft uns Var alle zusammen in das Gewölbe. Dort herrschen strenge Regeln. Es gibt bestimmte Rituale. Var verlangt Demut und Unterwer fung. Und Dinah sorgt dafür, dass wir gehorchen. Sieh dich vor. Dinah mag dich nicht.«
    Ich nickte, und ich erinnerte mich an Dinahs verkniffenes, bleiches Gesicht. Sie hatte mich ha sserfüllt angestarrt.
    »Was ist mit ihr?« fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Pia. »Sie war schon immer so.«
    »Und Var?« fragte ich. »Was tut die Oberin in der Welt der Menschen?«
    »Das weiß niemand«, sagte Pia. »Sie ruft uns zusammen, wenn sie es wünscht, und verschwindet dann wieder in der Dunkelheit. Es heißt, sie sei oft allein im Gewölbe und würde dort nächtelang bewegungslos sitzen und nachdenken. Jeder hat Angst vor ihr. Sie ist alt, stark und mächtig. Aber es heißt, sie würde sich bald zurückziehen. Und leider sieht es so aus, als ob Dinah ihre Nachfolgerin würde.«
    »Erzähl mir mehr von Dinah«, bat ich.
    »Nun, sie ist mehrere hundert Jahre alt und wurde von Var im Alter von achtunddreißig Jahren erschaffen. Soweit ich weiß, ist sie adliger Herkunft und war schon als Mensch stolz, grausam und dünkelhaft. Sie ist ziemlich geschickt in der Durchsetzung ihrer Interessen. Niemand versucht, ihr die Stellung als Vars Thronfolgerin streitig zu machen. Auch Solveigh nicht. Wir fürchten sie alle.«
    »Aber warum mag sie mich nicht? Die anderen waren alle so freundlich, Pia?«
    »Ich glaube, sie ist eifersüchtig.«
    »Ich wü sste nicht, warum«, antwortete ich. »Ich bin nichts Besonderes.«
    »Doch, das bist du«, antwortete Pia. »Kaum jemand von uns hat sich so schnell eine neue, sichere Existenz geschaffen wie du. Niemand hat einen solchen Rachefeldzug unternommen wie du, als du Serge bestraft hast. Die meisten kauern monatelang hilflos und verwirrt in den Wäldern, nachdem sie erschaffen wurden. Aber du, Ludmilla, du bist nach ein paar Tagen losgelaufen und hast ein neues Leben begonnen. Die anderen bewundern dich.«
    Pias Worte berührten mich. Ich empfand Stolz. Typisch, dachte ich, schon als Mensch war ich außerordentlich empfänglich für Schmeicheleien gewesen.
    Ich fragte Pia noch die ganze Nacht hindurch aus. Ich erfuhr, da ss die regelmäßigen Treffen in dem geheimen unterirdischen Gewölbe sowohl das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärkten und den einzelnen Vampiren Halt gaben, aber auch und vor allem der Kontrolle dienten. Im Versammlungsraum wurden Verfehlungen gebeichtet und Strafen verhängt. Ich erfuhr weiter, dass ältere Vampire viel seltener als ich tranken. Und wenn, dann beseitigten sie ihre Opfer, ohne Spuren zu hinterlassen. Pia erklärte mir, dass es ab sofort auch für mich verboten war, eine Leiche einfach irgendwo liegenzulassen.
    »Du wirst lernen, sie dir an den richtigen Orten zu suchen und sie dann zu beseitigen«, sagte Pia. »Ansonsten wirst du bestraft.«
    Ich weiß nicht warum, aber irgendwie trafen mich ihre Worte. Sie sprach von den Menschen wie von Vieh. Sicher, auch ich trank das Blut meiner Opfer, aber ich litt darunter, und außerdem hatte ich Freunde unter ihnen. Es

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