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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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Erleichterung an.
    »Ludmilla, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Was haben Sie nur dort im Wald getrieben?«
    Ich trat ein und zog den Professor behutsam in die Küche.
    »Setzen Sie sich«, sagte ich. »Sie brauchen erst einmal einen starken Kaffee.«
    Er setzte sich brav auf einen Küchenstuhl und sah mir zu, wie ich den Kaffeefilter füllte.
    »Also, Ludmilla, nun machen Sie es nicht so spannend.«
    Ich sah ihn an.
    »Es ist alles wahr, Professor. Die ›Dunklen Schwestern‹: es gibt sie wirklich. Und sie leben dort in dem Urwald, wo ich sie gestern verlassen habe.«
    Dann setzte ich mich zu ihm an den Tisch und erzählte alles, was ich erlebt hatte.
    Als ich geendet hatte, nahm ich die Hand des Professors.
    »Ist Ihnen klar, was das bedeutet? Ihr Leben ist in Gefahr. Alles, was eine Gefahr für die Schwesternschaft bedeutet, wird beseitigt. Wenn Var und die anderen erfahren, was Sie alles wissen, werden sie Sie töten.«
    Barker sah mich an. Dann klopfte er beruhigend auf meine Hand und sagte: »Ach was, mein Leben lang interessiere ich mich schon für das Okkulte. Ich hatte Ahnungen, fand Indizien, aber ich hatte nie Gewissheit. Jetzt habe ich Gewissheit. Durch Sie, Ludmilla. Und durch die… andern.«
    Ich wu sste nicht, was ich sagen sollte.
    »Machen Sie sich keine Gedanken«, fuhr er fort. »Ich habe in der letzten Zeit viel nachgedacht. Ich stehe im Herbst meines Lebens und werde Zeuge ungeheurer, phantastischer Dinge. Ich will versuchen, all das aus der Perspektive des Wissenschaftlers zu sehen. Ich weiß, was ich riskiere. Ich werde weiter forschen. Vielleicht kann man sich mit ihnen einigen. Ich werde hier nicht weggehen. Ich bin ein alter Baum. Ich kann nicht mehr verpflanzt werden.«
    Ich sah ihn bestürzt an.
    »Reden Sie mit Pia. Fragen Sie sie, warum Sie über mich geschwiegen hat. Vielleicht hat sie einen Grund. Vielleicht wissen die anderen längst Bescheid. Was weiß ich. Wir können nichts tun.«
    Er nahm mir den Kaffeebecher aus der Hand und sagte: »Schluss jetzt mit dem Gerede. Noch bin ich nicht tot, und ich denke, ich werde es so bald auch nicht sein. Reden wir lieber über Sie, Ludmilla – und Ihren Freund. Michael Goldstein hat zweimal für sie angerufen.«
    Dann stellte er seinen Kaffeebecher ab, schlurfte in sein Arbeitszimmer, setzte sich in einen Sessel und schlief fast augenblicklich ein.
    Ich verließ leise das Haus. Was würde aus dem alten Mann werden?
    Dann dachte ich an Michael! Allein sein Name sorgte für einen wohligen Schauer auf meinem Rücken. Aber Pia hatte recht. Unsere Liebe hatte keine Zukunft. Ich beschlo ss, ihn nicht anzurufen, und fuhr direkt in den Club.
    Linda war bereits da und beobachtete zwei Kabarettisten, die eine neue Nummer vorstellten. Grant stand etwas mi ssmutig daneben.
    »Ich freue mich ja über das Lob in der Presse«, grummelte er. »Aber schließlich wollen die Leute auch mal scharfe Sachen und nicht nur Kleinkunst sehen. Wenn ich nicht aufpasse, Ludmilla, dann lä sst Linda noch Mädchen im Nonnenkostüm auftreten.«
    »Was für eine wunderbare Idee«, antwortete Linda. »Schwarze Nonnentracht, seitlich geschlitzt. Hinten offen. Dazu Straps. Und dann erzählen sie versaute Witze. Na, Richard. Das wär doch was, oder?«
    Ich stimmte in das allgemeine Gelächter ein. Es war zum Verrücktwerden. Eben noch hatte ich mich meinen »Dunklen Schwestern« so verbunden gefühlt. Und jetzt fühlte ich mich hier im Club, bei meinen menschlichen Freunden, sofort wieder zu Hause. Ich merkte deutlich, wie zerrissen ich war. Es würde mir sehr schwerfallen, dies alles eines Tages zu verlassen, wenn die Zeit gekommen war. Aber konnte ich überhaupt so lange warten?
    Nach und nach trudelten die Gäste ein. Gegen 22 Uhr war der Laden voll. Ich kümmerte mich um ein paar Stammgäste, brachte ihre Lieblingsdrinks und plauderte mit ihnen. Aber immer wieder schweiften meine Gedanken ab in das dunkle Gewölbe im Wald, wo Var und die anderen sich trafen. Sie waren meine wahre Familie. Doch trotz aller Euphorie über ihre Existenz fühlte ich mich ihnen immer noch fremd.
    Kurz vor zwei Uhr kam Michael in den Club. Pias Worte klangen mir noch in den Ohren, aber als ich ihn mit suchendem Blick neben der Eingangstür stehen sah, machte mein Herz einen Sprung. Ich liebte diesen Mann, und er liebte mich. Alles andere zählte auf einmal nicht mehr für mich.
    Michael sah mich und kam auf mich zu.
    Ohne weiter nachzudenken, fiel ich ihm um den Hals.
    Er machte sich von mir

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