Nachtblauer Tod
sehen.«
»Man könnte also sagen, er hat den Beweis vorsichtshalber mit nach Hause gebracht, um ein Alibi zu haben, oder besser, vorzutäuschen.«
»Was hätte er denn sonst mit dem Fisch machen sollen? An Ort und Stelle essen? Der war soo groß!«
Büscher verzog den Mund. »Na, wohl eher so. Also gute achtzig Zentimeter.«
»Ist die Wahrscheinlichkeit groß, so einen Fisch zu fangen?«, fragte Schiller vorsichtig.
Büscher grinste. »Soll das ein Witz sein? Für viele wäre das der Fang des Jahres. Ja, vielleicht die Krönung ihres Anglerlebens.«
»Hast du schon einmal so einen Zander gefangen?«
Er zögerte mit der Antwort.
Sie hakte nach. »Wie groß war dein größter Fisch?«
»Ein Hecht. Fast einen Meter. Was tut das zur Sache?«
»Naja, wenn die Chance nicht allzu groß ist, dann glaube ich kaum, dass er sich auf das Risiko einlässt, so sein Alibi zu untermauern.«
Büscher ging, den Blick nach unten gerichtet, auf und ab. Er fand ein paar verpuppte Maden und folgerte: »Er hat erst auf Köderfische geangelt. Er hat zig Ruten mit ans Wasser gebracht, und es war ihm völlig egal, was er fängt, Hauptsache, irgendetwas, das er auf die Spüle legen kann, um uns hinters Licht zu führen.«
»Und wenn er wirklich nur ein einsamer Angler ist …«
Büscher winkte ab und bückte sich nach einem abgebrochenen Drillingshaken an einem Stückchen Nylonschnur. »Einsamer Angler … Ich kenne die Brüder. Die fliehen alle vor irgendetwas. Die haben zu Hause eine zänkische Frau, die ihnen die Hölle heiß macht, oder pubertierende Kinder. Bevor die da den Idioten geben, der den Butler und den Chauffeur für die Kinder spielt, hocken sie sich lieber ans Wasser und lassen sich volllaufen.«
»Na, du schließt jetzt wohl zu sehr von dir auf andere …«
Er warf den Drillingshaken ins Wasser. Noch bevor er versank, kam Büscher sich idiotisch vor. Birte Schiller schaute ihn an, als hätte er gerade ein wichtiges Beweisstück vernichtet.
»D… die lassen überall diesen Mist liegen. Das ist gefährlich. Da treten spielende Kinder rein und verletzen sich …«
Sie sagte nichts dazu, was er als besonders harsche Kritik empfand. Er deutete auf die Stelle, an der der Drilling ins Wasser geklatscht war. »Herrgott! Was soll das Teil denn schon beweisen? Das kann seit Wochen hier liegen. Außerdem bezweifelt ja niemand, dass er hier war.«
»Ja«, sagte Birte Schiller, »die Frage ist nur, wie lange er hier gehockt hat.«
Büscher zeigte auf eine Stelle direkt gegenüber. »Dort an dem Steg, da hätte ich als Nachtangler angefüttert und dann …«
Schiller verstand nicht. Ihre Augen zogen sich zusammen. So guckte sie nur, wenn sie nicht kapierte, worauf ihr Gegenüber hinauswollte.
Er wollte zum Steg, aber hier gab es keine Gelegenheit, das Wasser zu überqueren.
»Wenn da Nachtangler waren, dann ist der Platz für uns viel wichtiger als dieser hier. Die können uns dann vielleicht mit ein paar Beobachtungen weiterhelfen.«
Als sei diese Aussage hochintellektuell und im Grunde für seine Kollegin unverständlich, übersetzte er den Satz für sie in einfaches Kripodeutsch: »Zeugen. Wir suchen Zeugen.«
Gedanklich war er schon wieder woanders, aber er hätte sich lieber in die Hand gebissen, als ihr seine Überlegungen mitzuteilen. Vielleicht war der Drillingshaken doch wichtig. Wieso knüpfte jemand so einen großen Haken an ein Nylonvorfach? Mit dem Drilling konnte eigentlich nur auf große Raubfische gefischt werden. Aber ein Hecht zersägte so eine Nylonschnur mit seinen Zähnen oder zerriss sie einfach.
Waren da Anfänger am Werk gewesen? Schwarzangler? Kinder? Gab es noch andere Zeugen?
Am Steg kam Kommissarin Schiller zu der Überzeugung, dass Angler recht umweltbewusste Menschen sein mussten. Sie hatten praktisch keinen Abfall hinterlassen. Trotzdem kamen sie und Büscher rasch zu der Annahme, dass gestern Nacht von hier aus gefischt worden war. Der Boden war noch zertrampelt.
Das mit der Umwelt vergaß sie gleich wieder, als Büscher ihr eine bunte Pfütze zeigte. Es sah aus wie ein Ölfleck, nur dünnflüssiger.
»Hier hat einer der Spezialisten ein Spülmittel ausgegossen.«
»Warum macht jemand denn so etwas?«
»Damit die Würmer aus dem Boden kommen, und die werden dann als Köder benutzt.«
Schiller verzog angewidert den Mund.
Büscher formulierte seine Schlussfolgerungen: »Das ist eine sehr alte Methode. Die jungen, modernen Angler machen so etwas nicht. Sie wissen, dass der
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