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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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im T-Punkt an der Reihe war.
    Handys ließen sich orten.
    Er stand jetzt in einer Telefonzelle. Es gab kaum noch welche, weil fast jeder inzwischen ein Handy benutzte.
    Leon rief Jessy an. Immerhin hatte sie auf der Party mit ihm geknutscht. Sie würde ihn verstecken, da war er sicher. Ihre Eltern hatten eine Ferienwohnung. Sie hatte ihm davon erzählt. Sie besaß einen Schlüssel und hatte schon einmal dort eine Party gegeben. Die Bude war praktisch immer sturmfrei.
    Jessy ging schon nach dem ersten Klingeln dran. Leon meldete sich, und ihm war sofort klar, dass sie wusste, was geschehen war.
    »Die Bullen denken, dass du deine Mutter umgebracht hast«, platzte sie raus.
    »Gerüchte breiten sich in Bremerhaven schnell aus«, sagte er.
    »Von wegen Gerüchte. Sie haben mich vernommen, wollten alles genau wissen. Wann du wo auf der Party warst, ob du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern hast und all so einen Scheiß.«
    Sie kaute Kaugummi, während sie sprach, und Leon fand das unangemessen. Überhaupt gefiel ihr Ton ihm nicht. Trotzdem fragte er sie direkt: »Ich weiß nicht, wo ich bleiben soll. Ich brauch einen Schlafplatz.«
    Sie lachte, als ob das ein Witz gewesen sei. »Und da rufst du mich an? Frag doch die kleine Fischer. Diese Johanna ist doch ganz scharf auf dich. Die macht dir bestimmt gerne Platz in ihrem Heiabett.«
    »Sei nicht albern. Ich hab nichts mit ihr.«
    »Ach nein?«
    Er spürte die Abwehr hinter all ihren Worten und den unglaublichen Verdacht. Er fragte: »Du glaubst doch nicht im Ernst, ich hätte meine Mutter umgebracht?!«
    Sie antwortete nicht sofort.
    Ein Polizeiwagen rollte im Schritttempo auf die Telefonzelle zu. Leon drehte ihm den Rücken zu und fragte sich, ob Büscher eine Fangschaltung an Jessys Telefon angeschlossen hatte. War er schon geortet worden? Oder drehte er langsam durch? Warum sollten sie so einen Aufwand betreiben? Sie hielten doch seinen Vater für den Mörder.
    »Du hast zur Tatzeit die Party verlassen. Hast du nur mit mir rumgemacht, damit ich dir ein Alibi gebe?«
    »Äi, spinnst du jetzt komplett?«
    Der Polizeiwagen war jetzt genau auf der Höhe der Telefonzelle. Würden sie aussteigen? Leon öffnete die Tür einen Spalt. In der Glasscheibe konnte er sie genau sehen.
    Wenn einer aussteigt, renne ich los, dachte er. Er hielt die Tür mit der Schulter offen und hob die Sporttasche an.
    »Ich war es nicht«, stellte Leon klar.
    »Verstehe. Deshalb bist du jetzt auch auf der Flucht.«
    Der Polizeiwagen fuhr weiter. Das machte ihm Mut.
    »Was bist du bloß für eine dämliche Zicke?!«
    »Na, dann wäre das ja jetzt auch geklärt.«
    Leons Enttäuschung entlud sich in einer wüsten Beschimpfung. Er wollte gar nicht so schlimme Sachen sagen, er hörte sich in den Hörer brüllen und schämte sich für seine eigenen Worte. Am liebsten hätte er sich selbst den Mund verboten, doch er schimpfte weiter. Da begriff er: solange er sich aufregte, herumtobte, fluchte und beleidigte, brach er nicht ins Eis ein. Aber als Jessy mit den Worten: »Gut zu wissen, was du von mir hältst!« das Gespräch beendete und im Telefon nur noch dieses dumpfe Geräusch zu hören war, als ob man in einen Krater lauschte, fiel er wieder ins Bodenlose und neben ihm klappten die Eiswände hoch. Er ließ die Sporttasche fallen und schlug den Hörer gegen das Telefon.
    Als er die Zelle verließ, vergaß er die Tasche zunächst. Aber schon nach wenigen Metern blieb er stehen.
    Die Polizisten sprangen gerade in diesem Moment aus dem Auto.
    Jetzt ist es vorbei, dachte Leon. Aber sie liefen nicht in seine Richtung. Sie überprüften zwei Dreizehnjährige, die sich mit Paintballwaffen vor der Anlegestelle der M. S. Dorsch ein Duell geliefert hatten. Die Farbflecken am Schiff waren stumme Zeugen.
    Leon holte seine Sporttasche aus der Zelle und entfernte sich rasch vom Fischereihafen. Er musste raus aus der Energie von Jessy. Ihr Verdacht, ja, ihre Beschuldigungen, klebten an ihm wie die Schäferhundkacke an seinen Schuhen, in die er gerade getreten war.
    Er rief nicht bei den Fischers an. Er lief einfach hin. Er stieg in keine Bahn. Er nahm keinen Bus. Der Gedanke, in einem geschlossenen Raum zu sein, brachte ihn zu nah an die Situation unter dem Eis, deshalb wählte er die frische Luft. Der Wind wehte aus Nordwest und pustete seine Angst weg.
    Maik öffnete. Sein Hemd schlabberte lässig über der Jeans. Es hing offen an ihm, als sei es mehr der Umhang eines Zauberers als ein Hemd. Darunter trug er

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