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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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nicht ins Bett. Für die war er nichts weiter als ein armseliger Kerl, den sie mühelos manipulieren konnte.
    Leon erschrak über seine Gedanken. Was ist los mit mir, fragte er sich. Ich weiß doch nicht einmal, ob der überhaupt verheiratet ist und Kinder hat. Vielleicht arbeitet er gar nicht in einem Büro, sondern … Ich kenne den Mann doch gar nicht. Wieso glaube ich plötzlich, in die Abgründe seiner Sehnsüchte und Ängste blicken zu können? Entdecke ich gerade eine neue Fähigkeit in mir, eine Art Hellsichtigkeit, oder werde ich größenwahnsinnig und fange an zu spinnen?
    Kai Olschewski probierte einen Eiweißdrink mit Vanillegeschmack und entdeckte Leon. Er winkte ihm: »Hey, Leon! Schön, dich zu sehen. Schon gefrühstückt?«
    Ein weißer Rand klebte über seiner Oberlippe wie ein Vanillebärtchen. Ungefragt stellte er einen Becher vor Leon auf die Theke. Dann entdeckte er in seinem Spiegelbild die Spur, die der Eiweißdrink in seinem Gesicht hinterlassen hatte, und wischte sie mit dem Handrücken weg.
    »Nur Eiweiß, Vitamine und Mineralien. Ohne das geht es nicht. Ein Muskelaufbau ohne Eiweiß funktioniert nicht.«
    Weil er sein Mixgetränk so anpries, nahm Leon ihm zuliebe einen Schluck. Das Zeug pappte im Mund wie Oma Schröders Kakao, und Leon wünschte sich ein Glas mit kaltem, klaren Wasser, um den ganzen Mist wegspülen zu können.
    Kais Oberarme waren dicker als Leons Oberschenkel, und mit völliger Gewissheit wusste Leon jetzt, dass Kai nicht nur harmlose Eiweißdrinks schluckte, um seine Muskeln aufzupumpen, sondern garantiert auch Tabletten. Leon hätte jede Wette gehalten, dass es hier einen ganzen Schrank voller verbotener Pillen gab. Testosteron war dabei vermutlich noch das harmloseste Mittel.
    Aber Leon war nicht gekommen, um einen Fall von Doping in Bremerhaven öffentlich zu machen. Er fragte ganz direkt: »Ich suche den Mörder meiner Mutter. Kannst du mir helfen? Hast du in dieser Nacht etwas gesehen oder gehört?«
    »Ist das nicht eigentlich die Aufgabe der Polizei?«, fragte Kai vorsichtig.
    Leon verzog den Mund: »Die bringen es nicht. Mein Vater sitzt im Knast, und die drehen Däumchen.«
    »Unterschätz den Büscher nicht«, sagte Kai Olschewski und schnitt einen Tetrapack Milch auf. »Der wirkt zwar wie ein Trottel – ist aber keiner.«
    »Kennst du ihn näher?«
    »Nicht persönlich. Aber ich weiß von einem Mordfall in Bremen, den hat er trotz vieler Stolpersteine gelöst. Da hingen ganz hohe Herren aus der Politik mit drin. Der hat den Laden rücksichtslos ausgeräuchert und ist dann vermutlich nach Bremerhaven strafversetzt worden.«
    Leon hatte keine Lust, sich Geschichten über Büscher anzuhören. Er brauchte konkrete Hinweise. »Ich gehe davon aus, dass meine Mutter ihren Mörder persönlich reingelassen hat.«
    »Hm.« Kai Olschewski nickte nachdenklich und schielte zu Kim hinüber, die ihm komplizenhaft zuzwinkerte. Leon registrierte den Blick und vermutete, das hieß: Ich habe einen Neukunden an der Angel.
    »Kannst du mir weiterhelfen?«, fragte Leon.
    »Also … ich will ja keinen Menschen beschuldigen, aber …«
    Die Worte ließen einen Schauer über Leons Rücken rieseln. Es war wie die Ankündigung der Erlösung für ihn. Gleich würde der Name des Mörders fallen. Er spürte, dass sein Vater der Freiheit schon ganz nahe war.
    Aber Kai Olschewski sprach nicht weiter, er wischte stattdessen mit einem Tuch über die Theke.
    Leon ermunterte ihn, weiterzureden.
    »Man spricht nicht gerne über Kunden …«
    Er hatte also einen Vertrag im Fitnessstudio, folgerte Leon und kam damit in seiner Vorstellung der Lösung noch ein Stück näher. Immerhin hieß das, Name und Adresse waren bekannt. Er trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Also, an wen denkst du?«
    »Naja«, druckste Kai herum, »ich hoffe natürlich nicht, dass er etwas damit zu tun hat. Ich will das auch um Gottes willen nicht behaupten. Aber …«
    »Ja. Bitte, Kai, spann mich nicht länger auf die Folter!«
    Kim hielt jetzt dem Anfänger einen Vertrag hin, und er unterschrieb. Statt ihn zu lesen, starrte er auf ihren Busen, als sie sich vorbeugte und ihm die Papiere zur Unterschrift vorlegte.
    Kai Olschewski flüsterte: »Also, wenn deine Mutter ihren Mörder nachts, als dein Vater weg war, hereingelassen hat, dann …«
    »Ja? Was dann?«
    »Dann kann es im Prinzip … ich meine, du warst ja auch nicht da, soviel ich weiß, also dann wird es wohl … ihr Lover gewesen sein.«
    Leon

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