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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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dann lief sie in das ehemalige Zimmer von Maik, wo jetzt Leon Unterschlupf gefunden hatte. Es war möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass sie ihr Matheheft hier hatte liegen lassen.
    War sie mit einer Frage zu Leon gekommen? Hatte er ihr geholfen oder sie abblitzen lassen?
    Ihre Erinnerung war löchrig wie ein Emmentaler Käse.
    Und dann fand sie zwar nicht, was sie suchte, dafür aber einen goldenen Ohrring mit einer dicken weißen Perle. Der Schmuck sah alt aus und war echt.
    Hatte Leon hier Mädchenbesuch gehabt? Zu welcher Tussi passte denn dieser Oma-Ohrring?
    Jessy hatte ihn garantiert nicht hier verloren. Die trug billigen Modeschmuck, leicht und silbern glänzend. Niemals Gold.
    Aber eine Frau musste das Teil hier verloren haben, garantiert kein Mann. Männer trugen Creolen oder Stecker mit Glitzersteinen, aber nicht so eine Perle.
    Während sie das Stück noch betrachtete, stand plötzlich Maik hinter ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Sie hasste seine Art, sich manchmal völlig geräuschlos durch die Wohnung zu bewegen. Sie erschreckte sich jedes Mal, wenn er plötzlich wie eine Erscheinung vor ihr stand und sie angrinste.
    »Du hast den Ohrring gefunden! Das ist ja super. Den suche ich schon seit Tagen.«
    Johanna brauchte noch einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte, dann zischte sie: »Mensch, ich erschreck mich noch mal zu Tode, wenn du dich so anpirschst!«
    »Ich pirsche mich nicht an. Ich gehe bewusst und bewege mich nicht wie ein Elefant im Porzellanladen.«
    Er nahm ihr den Ohrring ab und pustete ihn an, als müsse er von Staub gereinigt werden. Das Schmuckstück glänzte aber.
    »Soll das ein Geschenk für Mama werden?«, fragte Johanna, und in ihrer Stimme klang Spott mit. Ihre Mutter würde so ein gediegenes Teil garantiert nicht tragen. Außerdem hatte sie eine Goldallergie.
    Maik lächelte verschmitzt. »Aber Johanna … Deine Mutter würde mich auslachen. Das ist alter Familienschmuck von meiner verstorbenen Tante Hedi-Mona-Elisabeth. Ja, sie hieß tatsächlich so. Sie hat mir einen ganzen Schuhkarton voll Glitzerkram hinterlassen. Das Zeug hat mir nie etwas bedeutet, aber bei dem Goldpreis heutzutage … Ich habe schon fast alles verkauft. Hat fast viertausend Euro gebracht, nur der eine Ohrring fehlte. Muss mir wohl runtergefallen sein.«
    Damit war die Sache für Johanna erledigt. Ihr reichte es schon zu wissen, dass Leon keine heimliche, Goldschmuck tragende Freundin hatte. Sie überlegte schon, ob sie Maik nach ihrer Mathehausaufgabe fragen sollte. Er hatte immerhin ihr Matheheft schon zweimal gefunden. Einmal neben der Toilette, und einmal in der Garage bei den Fahrrädern.
    Aber Maik hörte gar nicht auf, über diesen Ohrring zu reden. »Bitte sag Ulla nichts. Sie weiß nicht, dass ich das Familiengold verkauft habe. Es soll eine Überraschung werden. Ich will sie doch an unserem Kennenlerntag einladen. Ein Wochenende in Venedig.«
    »Ja«, sagte Johanna, »da wird sich Mama aber freuen. Venedig. Wie romantisch. Ich verrate nichts, keine Sorge. Ich bin doch keine Spielverderberin.«
    Dann dachte sie: Die Garage, na klar, da habe ich noch nicht gesucht. Unsere wuselige, unaufgeräumte Garage ist ein idealer Ort für Leute, die ihre Mathehausaufgaben wegwerfen wollen.

23
    Leon besuchte keineswegs, wie Kai Olschewski befürchtete, Jörg Parks, um den zur Rede zu stellen. Leon begab sich auf dem schnellsten Weg in die Polizeiinspektion. Er wollte Büscher sprechen und ihn über die neuen Fakten in der Mordsache aufklären. Er hoffte, seinen Vater noch heute Abend frei zu haben. Stattdessen würde der richtige Mörder im Gefängnis sitzen und hoffentlich nie, nie wieder freikommen.
    Zunächst wollte man Leon gar nicht durchlassen. Er sollte erst einmal sein Anliegen vortragen, dann wollte der diensthabende Beamte entscheiden, ob er Leon überhaupt zu Büscher lassen würde oder nicht.
    Leon fand es unmöglich, dass ein uniformierter Polizist aus Bremerhaven nicht sofort wusste, worum es ging, wenn er den Namen Leon Schwarz hörte.
    Für Leon war dies der wichtigste Kriminalfall der Welt. Und es machte ihn zornig, wenn ein Polizist so vollkommen ahnungslos war.
    Hinter ihm erschien in diesem Moment Kommissarin Schiller, die gerade vom Markt kam, wo sie kernlose Weintrauben geholt hatte.
    Eigentlich aß sie nie ungewaschene Weintrauben, aber jetzt zupfte sie zwei ab und schob sie sich in den Mund. Der Geschmack hatte etwas Beglückendes an sich, fand sie und naschte

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