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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Vater alles wusste, wieso dann diese Geheimhaltung?«
    Kai Olschewski kam hinter der Theke hervor. Er legte seinen starken, nackten Arm um Leons Schultern und zog ihn fest an sich. »Machen wir uns nichts vor. Es ging um dich. Ich glaube, die beiden wollten nur noch solange zusammenbleiben, bis du alt genug sein würdest und aus dem Haus gehst.«
    Leon protestierte. Er versuchte, sich von Kai zu lösen, was ihm aber nicht gelang.
    »Das stimmt nicht! Das ist doch Quatsch! Du lügst!«
    »Du hast mich was gefragt, und ich habe dir geantwortet«, sagte Kai, und es klang beleidigt.
    Er ließ Leon los. Der rannte sofort zum Ausgang. Es kam ihm vor, als ob er vor sich selbst davonlaufen würde. Er wollte nicht, dass seine Eltern ihn belogen hatten.
    Warum? Das gab doch alles gar keinen Sinn.
    Und doch hatte das Ganze etwas Realistisches. Vermutlich hatte seine Mutter Schluss mit Jörg Parks gemacht. Der ertrug das nicht, wollte das Ruder noch einmal herumreißen, es war zum Streit gekommen. Jörg Parks war durchgedreht und hatte sie umgebracht. Als der Vater vom Angeln zurückkam, fand er seine tote Frau. Er versuchte, sie zu retten, natürlich fasste er sie an, und so waren hinterher seine Kleidung und seine Hände voller Blut.
    Leon war schon auf der Straße, gut hundert Meter vom Studio entfernt, als er abrupt stehenblieb und wieder umkehrte.
    Er riss die Tür des Fitnessstudios auf und rief schon von dort aus quer durch den Raum: »Wo wohnt er?«
    »Bredenweg!«
    Leon hob warnend den Zeigefinger: »Wehe, du warnst ihn!«
    Kai Olschewski atmete heftig aus. Er fand es geradezu lächerlich, dass dieser Hänfling ihm drohte.
    »Keine Sorge«, sagte er leise und wollte sich eigentlich dem Trainingsplan der nächsten Woche widmen, aber dann wandte er sich noch einmal Leon zu und winkte ihn heran.
    Leon bewegte sich aber keinen Meter in seine Richtung.
    Kai verließ die Theke, hinter der er sich so gerne aufhielt und so wichtig fühlte, und ging zu Leon. Er umfasste seinen Kopf mit den Händen und zog ihn zu sich.
    Die Bewegung lähmte Leon, denn er kannte das nur von seiner Mutter. Sie hatte ihn so zu sich herangezogen, wenn sie ihn küssen wollte. Wann hatte sie es zum letzten Mal getan? Leon erinnerte sich daran. Es war vor dem Schulhof gewesen. Er hatte sich dafür geschämt und es als unangenehm empfunden.
    Kai Olschewski küsste ihn nicht. Er zog ihn nur zu sich und sagte: »Pass gut auf dich auf, Kleiner.«
    »Ja«, versprach Leon und lief wieder los. Kai rief hinter ihm her: »Mach keinen Scheiß! Der ist durchtrainiert! Der macht dich platt, Junge. Soll ich mitkommen?«
    Leon war schon beim Überqueren der Straße. Er drehte sich noch einmal um und winkte. »Keine Sorge!«
    Ein BMW bog um die Ecke. Die Fahrerin hörte Schlager auf NDR 1. Guildo Horn sang, und sie war bester Laune. Sie machte eine Vollbremsung und brachte den Wagen nur wenige Zentimeter vor Leon zum Stehen. Ein Fiat Uno krachte ihr hinten rein.
    Leon lief so schnell er konnte. Einmal drehte er sich um und sah die BMW-Fahrerin im Streit mit dem Fiat-Fahrer.
    Wegen mir hat die ganze Welt nur Probleme , dachte er und rannte weiter.

22
    Entweder bin ich völlig verblödet, dachte Johanna, oder das hier ist eine echt Freud’sche Fehlleistung. Es ist völlig egal, ob ich meine Mathe-Hausaufgaben mache oder nicht. Ich verliere das Heft nämlich einfach. Ich erledige den Kram und vergesse ihn sofort wieder. Das Heft landet dann irgendwo. Manchmal werfe ich es richtig weg. Das geschieht natürlich nicht bewusst.
    Mein Gott, wo habe ich meine Matheklamotten nicht schon überall gefunden!
    In der Tiefkühltruhe neben der Spinatpizza.
    Zwischen den Handtüchern im Bad.
    Im Schuhschrank.
    Im Biomüll.
    Das war besonders peinlich. Maik hatte das Buch mit der Bemerkung herausgefischt, wenn überhaupt, dann gehöre so etwas in den Papiermüll.
    Ich trickse mich manchmal selber aus, als ob ich auf keinen Fall versetzt werden wollte. Meine Mutter, die blöde Kuh, sagt, das sei meine Weigerung, erwachsen zu werden, weil ich im Grunde nur Angst hätte, nach einem bestandenen Abi ausziehen zu müssen …
    Dabei würde ich nichts lieber tun.
    Sie kniete in der Küche auf dem Boden und suchte das Heft in dem Zeitungsstapel. Da, zwischen alten Nordseezeitungen, hatte sie ihre Hausaufgaben schon einmal wiedergefunden. Aber diesmal war es nicht so einfach.
    Sie kam sich zwar dämlich dabei vor, aber sie sah auch im Kühlschrank nach, zwischen den Handtüchern im Bad, und

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