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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Operation hinter sich und lag im Beobachtungszimmer. Tom Black stand vor den Operationssälen im Flur und sprach mit einer Schwester; als Lucas und Del hereinkamen, trat er auf sie zu. »Sie hat es gut überstanden. Es war ein ganz schön großes Leck, aber sie haben es schließen können, und alles andere ist in Ordnung.«
    »Aber sie ist nicht wach, oder?«
    »Sie halten sie im Schlaf. Sie wollen, dass alle Kanülen dranbleiben; wenn sie aufwacht und sich bewegt …«
    Sie sprachen noch kurz über dieses Thema – wie Lucas damals, als er den Schuss in die Kehle abbekommen hatte, auf dem Krankenbett festgeschnallt worden war und drei lange Tage den Kopf nicht hatte bewegen können; und wie man Dels Hüfte nach dem Unfall für zwei Tage stillgelegt hatte. Dann sagte Del: »Ich gehe mal rüber zu meinem Kumpel beim County-Staatsanwalt – vielleicht liegt ja von Seiten des Staates was gegen Rodriguez vor. Und was machst du, Lucas?«
    Lucas sah auf die Uhr. »Ich habe eine Verabredung, Gott steh mir bei …«
     
     
    Catrin saß, mit dem Gesicht zur Tür, in einer Nische im Hintergrund, als Lucas hereinkam. Er lächelte, als er sie sah, und sie nickte ihm zu, verwendete dann sehr viel Aufmerksamkeit darauf, ihre Tasse hochzuheben und einen Schluck Kaffee zu trinken.
    »Hey.« Er schlüpfte ihr gegenüber auf die Bank in der Nische Und winkte einer Kellnerin.
    »Ich hoffe, ich bringe dir nicht den Tag durcheinander«, sagte sie. Sie hatte sich diesmal weniger schick gekleidet, in Jeans und eine kornblumenblaue Bluse, die keine Knöpfe zu haben schien – ein raffiniertes, interessante Einblicke gewährendes Kleidungsstück. »Ich habe die Alie’e-Sache im Fernsehen verfolgt, und man hat den Eindruck, die Medien würden durchdrehen.«
    Lucas nickte und versuchte, ihr in die Augen zu sehen und den Blick nicht zu dem Blusenspalt gleiten zu lassen. »Es ist schlimmer, als ich es jemals erlebt habe. Es war ja manchmal schon schlimm genug, aber diesmal ist es der reine Irrsinn.«
    »Machst du Fortschritte? Oder darfst du mir das nicht sagen?«
    »Wenn wir Fortschritte machen würden, dürfte ich es dir nicht sagen, aber da das nicht der Fall ist, darf ich es sagen: Wir machen keine Fortschritte.«
    Die Kellnerin kam, und sie bestellten beide Salat und Kaffee. Dann redeten sie einige Minuten über belanglose Dinge, bis Catrin sagte: »Ich habe dich angerufen, weil du der einzige Mensch bist, mit dem ich reden kann. Es geht mir nicht gut …«
    »Du siehst … großartig aus. Wirkst sogar glücklich.«
    »Eher wie narkotisiert«, sagte sie. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich sollte nicht hier sein.«
    »Warum nicht?«
    »Nicht mal das kann ich dir sagen. Ich meine, wenn ich es wüsste, würde ich es dir natürlich sagen …«
    »Hast du Schlafstörungen? Kannst du nicht aufhören, im Bett den Kopf hin und her zu werfen? Reißen dich düstere Träume immer wieder aus dem Halbschlaf?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn neugierig an. »Ich habe keine Depressionen, wenn das hinter deiner Frage stecken sollte. Aber du hattest welche, oder? Deine Zustandsbeschreibung lässt darauf schließen.«
    »Ja.«
    »Ich hatte mal eine Freundin mit diesem Problem. Wir haben uns große Sorgen um sie gemacht. Aber sie hat es schließlich geschafft.«
    »Mit Chemie?«
    »Natürlich. Und du – wie bist du damit fertig geworden?«
    »Ich war diesen chemischen Mitteln gegenüber sehr misstrauisch, also habe ich einfach … abgewartet, bis es vorbei war. Ich wusste sehr gut, was mit mir los war, ich hatte darüber gelesen und mich damit getröstet, dass es in den meisten Fällen von selbst wieder verschwindet. Also wartete ich darauf. Es war schlimm. Ich hoffe bei Gott, dass es nicht wieder auftritt, aber wenn das passieren sollte, nehme ich auf jeden Fall Anti-depressiva. Was ich damals durchgemacht habe, will ich nicht noch mal erleben.«
    »Sehr gut«, sagte sie. »Aber mein Problem, Lucas, ist die gute alte … Midlife-Crisis.«
    »Die hatte ich noch nicht«, sagte er.
    »Da ich dich kenne, kann ich mir das denken. Du kriegst sie erst mit fünfundsechzig, wenn du realisierst, dass du nicht verheiratet bist und keine Enkelkinder hast, und dann fängst du an, dich zu fragen, wie es dazu gekommen ist.«
    »Ich kann Enkelkinder haben«, sagte Lucas trotzig. »Ich habe schließlich eine Tochter.«
    »Die du kaum einmal siehst.«
    »Worüber reden wir da eigentlich?«, fragte er, plötzlich recht gereizt.
    »Vielleicht zerre ich dich ja

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