Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
in deine Midlife-Crisis, zusammen mit meiner«, sagte sie. Die Kellnerin brachte die Salate, und sie schwiegen, bis sie wieder gegangen war. Dann sagte Catrin: »Damals, als ich dich verlassen hatte und du nicht angerufen hast …«
    »Ich habe angerufen.«
    »Ja, zweimal. Wenn du viermal angerufen hättest, wäre ich zu dir zurückgekommen. Als ich dich dann mal wieder sah, warst du in Begleitung einer dünnen Blondine mit tollem Hintern und kleinen spitzen Brüsten. Ihr beide seid an einer Straßenecke stehen geblieben, und sie hat versucht, mit ihrer Zunge bis zu deinen Mandeln vorzustoßen.«
    Lucas wurde rot. »Daran kann ich mich nicht erinnern«, murmelte er.
    Sie manövrierte ein Salatblatt in den Mund, kaute knirschend darauf herum, sah ihn an. Er schob seine Salatschale weg und wartete ab. »Nun ja, wie auch immer«, fuhr sie schließlich fort, »ein paar Tage, nachdem ich dich mit der Blondine gesehen hatte, traf ich Jack, und wir blieben zusammen. Ich mochte ihn sehr, ich mochte seine Eltern, und sie mochten mich; und meine Eltern waren hoch erfreut, stand Jack doch nur noch ein Jahr vor dem Abschlussexamen zum Arzt. Also … heirateten wir, und er leistete seine Assistenzzeit in der Army ab, und dann zogen wir nach Lake City, kauften uns ein Haus, bekamen unsere Kinder, hatten Hunde und Segelboote, und gottverdammt …« – sie schien das Wort zu genießen – »… gottverdammt , hier bin ich, und es sind fünfundzwanzig Jahre vergangen. War das mein Leben? Ich dachte immer, ich würde mal die Hauptrolle in meinem Lebensfilm spielen, aber alles, was ich erreicht habe, ist eine kleine Nebenrolle mit anderen Hauptdarstellern.«
    Sie dachte einen Moment über diese ihre Feststellung nach, richtete dann die Salatgabel auf Lucas und sagte: »So, dabei sind wir jetzt angekommen – bei Metaphern. Als wir uns vor ein paar Tagen trafen, kam mir diese Film-Metapher spontan in den Sinn. Seitdem habe ich oft darüber nachgedacht. Wann kommt mein Film?«
    Lucas saß da und sah sie schweigend an. »Nun sag doch was«, bat Catrin, und Lucas seufzte, sagte: »Wenn ich eine Möglichkeit sähe, blitzschnell wegzulaufen, ohne das ganze Lokal in Aufruhr zu versetzen, würde ich es tun.«
    Sie lehnte sich zurück, zischte: »Du würdest einfach weglaufen?«
    »Catrin … Ich kenne Frauen, die Unternehmen leiten und Millionen Dollar im Jahr verdienen und im dicken Mercedes rumfahren – und abends nach Hause kommen und sich fragen, wie zum Teufel es gekommen ist, dass sie so einsam sind und keine Kinder haben. Sie sind Mitte vierzig und haben alles, was man sich nur wünschen kann, bloß keine Kinder, und das ist es aber, wonach sie sich verzweifelt sehnen – nach Kindern. Und dann kenne ich Leute, die haben großartige Kinder, sind aber völlig unzufrieden, weil sie nicht die Besitzer von General Mills sind.«
    Sie wischte sich den Mund mit der Serviette ab, drückte sie dann in den Rest ihres Salats. Ihre Augen glitzerten, waren ein wenig zu weit aufgerissen, und Lucas erinnerte sich an ihr heftiges Temperament. Sie sagte mit leicht erhobener Stimme: »Aha, ich habe also nichts als einen Anfall üblicher weiblicher Hysterie, der sich wieder legen wird, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne Frauen, die so denken wie du, und in der Hälfte der Fälle endet das in einer Katastrophe. Sie wenden sich gegen ihren Mann und ihre Kinder, widmen sich ihrer Selbstverwirklichung und finden sich in einem schäbigen Appartement wieder und verkaufen Kuchenstücke an der Desserttheke irgendeines zweitklassigen Restaurants. Wenn man sie dann fragt, ob sie wieder zurück zu ihrer Familie gehen wollten, denken sie lange Zeit darüber nach, und die meisten antworten: ›Es gibt kein Zurück mehr.‹ Wenn sie ihren Entschluss aber rückgängig machen könnten, eventuell auf einer neu verhandelten Grundlage, würden sie es liebend gerne tun.«
    »Und was macht die andere Hälfte? Die Frauen, die die Trennung nicht vollziehen?«
    »Sie schließen einen Kompromiss, passen sich an, aber … ich bin mir nicht sicher, wie glücklich sie dann sind – vor allem, weil sie von dem Gedanken geplagt werden, es nicht mit der Trennung versucht zu haben.«
    »Du meinst also, ich sei in einer verfahrenen Situation.«
    »Nun ja, du hast ein Problem. Du musst dir Zeit nehmen und lange darüber nachdenken.«
    Sie schaute zur Seite, sagte: »Ich denke darüber nach, ob ich reinen Tisch machen und ausziehen soll. Ich habe dir das neulich nicht

Weitere Kostenlose Bücher