Nachtblind
anderen Cops, ringelte dabei unbewusst eine ihrer Locken um den Zeigefinger. Lucas und der St.-Paul-Cop sahen sich an und sagten gleichzeitig: »Nein, doch nicht.«
»Ich muss jetzt dringend mal mit dem Hausmeister sprechen«, sagte Lucas.
Der Hausmeister sah besorgt aus. »Ich hoffe, ich kann Ihnen helfen.«
»Ich will nur Folgendes wissen: Wie kommt man aus diesem Gebäude raus, wenn man es nicht durch den Zugang zum Parkhaus, durch die Eingangstür oder über die Fußgängerbrücke verlassen kann oder will?«
»Sie meinen, wenn sich jemand im Gebäude versteckt hat und dann nachts rausschleichen will?«
»Genau.«
Der Hausmeister dachte einen Moment nach. »Das wäre unmöglich«, sagte er dann. »Man braucht einen Schlüssel. Aber alle Schlüssel für das Gebäude hängen an zwei großen Ringen, und man muss wissen, nach welchem man sucht. Die Schlüssel sind nämlich nur mit Nummern versehen. Wenn man also in den Besitz eines bestimmten Schlüssels kommen will und die Nummer nicht weiß, muss man die kompletten Ringe stehlen – und das hat niemand getan. Aber selbst dann wüsste man ja immer noch nicht, welcher Schlüssel welches Schloss öffnet, und man müsste sie alle durchprobieren. Und dazu braucht man mehrere Stunden, wenn nicht einen ganzen Tag.«
»Okay, gehen wir also mal davon aus, der Mann hat keinen Schlüssel …«
»Nun, es gibt ein paar Fenster auf der zweiten Etage, die sich öffnen lassen, und man könnte sich von dort nach unten abseilen – aber das wäre sehr auffällig. Ich meine, auch nachts sind Autos und Menschen unten auf der Straße.«
»Und es ist eine hohe zweite Etage«, sagte Lucas. »Der Mann bräuchte ein langes Seil.«
»Ja.« Der Hausmeister dachte stirnrunzelnd nach, fragte dann: »Sie sagen, er könnte auch nicht durch das Parkhaus verschwinden?«
»Nein, das könnte er nicht.«
»Nun, ich an seiner Stelle würde mich irgendwo im Gebäude verstecken, und wenn die Cops verschwunden sind, würde ich mich unter die Leute mischen und rausmarschieren. Vielleicht erst am nächsten Tag. Und es gibt viele gute Verstecke hier.«
»Die St.-Paul-Cops haben gleich nach dem Vorfall alles gründlich durchsucht.«
»Da haben Sie Recht – sie haben mich wie einen Irren durchs Gebäude gescheucht.«
»Und wie sieht’s mit der Lieferantenzufahrt aus?«
»Nein, unmöglich. Die Luken sind mit Vorhängeschlössern gesichert, und … Oh, Moment mal …«
»Was ist?«
»Das Tor! Es ist mit einem großen Riegel verschlossen, aber …«
»Man kann ihn von innen aufziehen«, sagte Lucas.
»Richtig. Ich benutze das Tor nie. Wenn wir eine Lieferung bekommen, läuten die Lieferanten von draußen, und ich gehe hin und öffne eine der Luken …«
»Kommen Sie, wir schauen uns das mal an«, sagte Lucas.
Der Hausmeister ging voraus zum entgegengesetzten Ende des Gebäudes. »Es wird von außen mit einem Schlüssel zugesperrt.«
»Man kann es nicht einfach zuziehen?«
»Nein. Man muss es von außen mit dem Schlüssel zuschließen oder von innen durch Drehen des Türknaufs verriegeln. Und dann den Riegel zuschieben.«
Sie gingen die Kellertreppe hinunter, kamen durch einen dunklen Flur zur Laderampe. Lucas trat vor das Tor. Es war aus Stahl; in der Mitte befand sich ein kleines Fenster mit einem eingelassenen Drahtgeflecht. »Vorsicht, das Schloss nicht berühren«, sagte Lucas. »Machen Sie doch mal Licht.«
»Okay …«
Der Hausmeister fand den Schalter an der Wand, knipste das Licht an. Sie sahen beide auf das Schloss, und Lucas sagte: »Der Riegel ist zurückgezogen.«
»Verdammt …«
Lucas sah sich um, fragte: »Ist jemals irgendwas für Rodriguez hier angeliefert worden?«
»Seine Büromöbel wahrscheinlich.«
»Haben Sie ihn sonst irgendwann mal hier gesehen?«
»Nein. Hierher kommt nur jemand, für den etwas angeliefert wird. Oder wenn es eine Störung an der Maschinenanlage gibt.«
»Hmmm. Sie sollten den St.-Paul-Cops von unserer Entdeckung berichten.«
»Was haben die Kollegen dazu gesagt?«, fragte Del.
»Zuerst sagten sie, das sei alles Quatsch und würde nichts an der Sachlage ändern; es gäbe keinen Hinweis darauf, dass sich jemand im Gebäude versteckt hätte«, sagte Lucas. »Dann fingen sie an, sich gegenseitig anzuscheißen.«
»Hier bei uns würden wir bei so einer Gelegenheit aufeinander schießen.«
»St. Paul ist die freundlichere, liebenswürdigere Stadt«, sagte Lucas. Sie gingen durchs Stadtzentrum, Lucas mit einem großen
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