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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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ein wenig mehr über seinen Gesundheitszustand in Erfahrung bringen.«
    »Seine Ärzte befragen?«
    »Ja. Rausfinden, ob er zu Depressionen neigte, mal wegen so was behandelt wurde. Aber vielleicht war es ja auch einfach nur so, dass er seine so mühsam aufgebaute Welt zusammenstürzen sah, in diesen Lichthof ging und einfach runtersprang. Ein Impuls …«
    »Aus dem zweiten Stock? Wenn ich mir die Höhe selbst aussuchen kann? Ich weiß nicht …« Lucas schüttelte den Kopf.
    »Es ist ein sehr hoher zweiter Stock. Wenn du von oben runterschaust, weißt du, dass du bei einem Sprung nicht heil unten landest. Ich sehe den Mann vor mir – er ist in hellem Aufruhr, die Fernsehleute hecheln hinter ihm her, er weiß, dass er wegen der Drogen in größten Schwierigkeiten steckt, Und sein so clever aufgebautes materielles Reich droht zusammenzubrechen … Vielleicht hat er ja sogar Schuldgefühle wegen des Mordes an Alie’e. Wer weiß? Wie auch immer – er stellt seine Tasche ab und springt über das Geländer.«
    Klang irgendwie nicht schlecht. »Ja, ›vielleicht‹ war es so …«
    »Mit dicker Unterstreichung des vielleicht«, sagte Del. »Mit der Rückzugsmöglichkeit auf die Option, meine Meinung zu ändern.«
    »Warten wir ab, was der Leichenbeschauer zu sagen hat.«
     
     
    Lucas setzte Del in der Stadtmitte ab, überlegte, ob er zu Jael fahren sollte, entschied sich schließlich dagegen. Überlegte, ob er Weather anrufen sollte – aber sie war in der jetzigen Situation, in der sich so was wie eine Aussöhnung anbahnte, nicht die Richtige, um mit ihr über Tod und Verderben zu reden.
    Oder war es gerade das, worüber sie mit ihm sprechen wollte? Hatte sie das gemeint, als sie gesagt hatte, er könne sie mal anrufen? Was zum Teufel hatte sie damit gemeint? Was steckte dahinter? Und warum bumste er mit Jael herum? Und, großer Gott, an Catrin durfte er schon gar nicht denken …
    Also fuhr er nach Hause, grübelte ein paar Minuten über sein Spieleprojekt nach, ging dann unter die Dusche, kroch schließlich ins Bett. Dachte über alles nach, bis ihn der Schlaf erlöste.
    In der Nacht wachte er zweimal auf, dachte beide Male rund eine Stunde über den Fall nach. Am Morgen rasierte er sich, duschte und fuhr, noch recht müde, zum Stadtzentrum von St. Paul. Unterwegs rief er den Fotografen des Departments an.
    »Ich möchte, dass Sie ein bestimmtes Foto für mich aufnehmen.«

25
     
     
     
    Freitag. Siebter Tag des Alie’e-Falles.
    In Rodriguez’ Bürogebäude hatte man alle Spuren des Vorfalls beseitigt, und die Menschen gingen wieder ungestört ihrer Arbeit nach; bis auf die Cops, die sich noch mit seinem Computer beschäftigten, war alles wieder im Normalzustand. Lucas ging ins Büro und wurde Rodriguez’ Sekretärin vorgestellt, einer jungen Frau, die den Verlust ihres Arbeitgebers mit Gelassenheit zu ertragen schien. »Ich kann morgen schon woanders anfangen, wenn ich will«, erklärte sie Lucas. »Bei dieser tollen Wirtschaftslage könnte ja sogar ein Toter einen Job kriegen. Hoppla – das sollte ich wohl besser anders formulieren…«
    »Glauben Sie, dass Richard Selbstmord begangen haben könnte?«, fragte Lucas.
    »Er war kein trübsinniger Typ«, antwortete sie. Aber sie legte den Finger an die Lippen, dachte nach. »Andererseits, wenn er einmal einen Entschluss gefasst hatte, führte er ihn auch durch – manchmal recht impulsiv. Und schnell. Ich meine, nachdem er nun in die Schusslinie der Medien geraten war … Aber ich weiß es nicht. Wahrscheinlich kennt man einen Menschen niemals wirklich und wird überrascht davon, was er plötzlich anstellt. Und dann ist er tot, und man erkennt, dass man ihn eigentlich überhaupt nicht gekannt hat. Verstehen Sie, man kommt im Allgemeinen nie so richtig dahinter, was in einem anderen Menschen vorgeht. Wenn man sich’s mal genauer überlegt …«
    Im Flur sagte Lucas zu dem St.-Paul-Cop, der die Computerüberprüfung leitete: »Sie scheint die neue Situation ganz gut zu verkraften.«
    »Ja. Für mein Verständnis ein wenig zu gut. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie für ihren Boss irgendwo ein bisschen Bargeld versteckt hat. Oder Dope.«
    »Bargeld vielleicht, aber keine Drogen. Sie macht einen zu flatterhaften Eindruck, als dass jemand ihr Dope anvertrauen würde«, meinte Lucas.
    »Vielleicht finden wir ja raus, dass sie das Gehirn hinter der ganzen Sache ist.« Sie sahen beide durch die offene Bürotür zu ihr hinein. Sie sprach gerade mit einem der

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