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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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erstaunt: »Was soll das denn?«
    Sie ließ die Haut los, und diese schnellte zurück in die Ausgangsposition. »Facelifting«, erklärte Lucas. Er gähnte; er hatte nichts gegen lange Nächte, mochte aber frühe Morgenstunden nicht besonders.
    »Ich überlege mir gerade, wie ich die Haare auf meinem Kopf vermehren kann«, sagte der Bürgermeister. Er hatte eine beginnende Kopfglatze, verfügte aber noch über einige behaarte Inseln auf dem Schädel. »Meinen Sie, das würde auffallen?«
    »Diese Implantate sehen aus wie kleine Büsche, die man am Rand eines saftigen Grashügels gepflanzt hat«, sagte Rose Marie. »Sie werden es dann vermeiden müssen, dass jemand in einem Treppenhaus von oben auf Sie runterschaut.«
    »Ach, das ist doch diese veraltete Methode«, sagte der Bürgermeister verächtlich. »Ich denke an diese neue Methode –Mikro-Implantate. Das soll, wie man hört, ganz natürlich aussehen.« Die beiden unterhielten sich noch einige Minuten über plastische Chirurgie und Mikro-Implantate – alternde Politiker, die das praktizierten, was sie am besten konnten: seichtes Geplauder. Bis Lucas wieder gähnte. Der Bürgermeister unterbrach seine Ausführungen mitten im Satz und fragte lässig: »Wie tot ist sie?«
    »Sehr tot«, antwortete Lucas und richtete sich zu einer halbwegs geraden Sitzhaltung auf. »Erwürgt. Vielleicht auch vergewaltigt. Hat Rose Marie Ihnen schon von der zweiten Toten erzählt?«
    Der Kopf des Bürgermeisters schnellte zurück, und er sah Lucas mit dem Blick eines weidwunden Rehs an – soweit ein kleiner Mann mit schütterem Haar und dem Rumpf eines Weinfasses, ein ehemaliger Fachanwalt für Persönlichkeitsrecht, zum Blick eines waidwunden Rehs fähig ist. »Eine zweite Frau?«
    Er wandte sich an Rose Marie, die jedoch nur die Schultern hob und sagte: »Nicht meine Schuld. Eine zweite Leiche tauchte auf, steckte in einem Wandschrank. Ich habe es auch gerade erst gehört.«
    »Auch ein Model?« Sein Blick ging wieder zu Lucas.
    »Nein.« Er gab dem Bürgermeister einen kurzen Bericht über den Doppelmord. »Ihre Freundin Sallance Hanson sagt, sie würde sich an Sie wenden, wenn wir ihr Ärger machen.«
    »Blöde Kuh«, knurrte der Bürgermeister. »Verprügeln Sie sie mit der neunschwänzigen Katze, wenn Sie wollen.«
    »Tatsächlich?« Rose Marie hob die Augenbrauen.
    »Sie hat mir für meinen Wahlfonds zweihundert Bucks gegeben«, sagte der Bürgermeister. »Für so eine Summe kriegt sie höchstens ein signiertes Foto … Ich werde den Teufel tun und in einen Mordfall eingreifen.« Er sah Lucas wieder an. »Haben wir schon irgendwelche Spuren?«
    »Vielleicht, aber keine, von denen ich bereits weiß«, antwortete Lucas. »Wir sind noch bei der Spurensicherung am Tatort. Maison hatte sich kurz vor dem Tod Dope gespritzt, wahrscheinlich Heroin. Die andere Frau war rot um die Nase, hatte offensichtlich eine Menge Koks geschnüffelt.«
    »Die Handelskammer wird sich freuen – ausgedehnter Handel mit Kokain und Heroin«, sagte der Bürgermeister. »Was erzählen wir den Filmleuten?« Mit Filmleuten meinte er Fernsehreporter.
    »Wir sagen ihnen, es handele sich wahrscheinlich um Morde im Zusammenhang mit Drogen«, schlug Lucas vor.
    Der Bürgermeister runzelte die Stirn. »Das klingt nicht gut.«
    » Nichts klingt gut«, sagte Lucas. »Aber wenn wir sagen, es gibt da einen Zusammenhang mit Dope, ist es einfach zu verstehen. Und das ist es, was wir brauchen. Einfach. Verständlich. Langweilig. Nichts Exotisches. Keine Orgien, kein irrer Sex, keine großen Geldsummen, kein eifersüchtiger Liebhaber, kein Skandal. Nur ein böser Bube irgendwo in der Stadt. Und die Filmleute werden uns das mit dem Heroin abnehmen. In der Modebranche wird so viel Heroin konsumiert, dass es noch vor kurzem regelrecht zum Model-Look gehörte. Alle Models hatten dieses abgeschlaffte Doper-Aussehen … Es wird niemanden überraschen.«
    »Wir wollen jedenfalls nicht, dass es aufgebauscht und zu so was wie einer kulturellen Angelegenheit hochstilisiert wird, an der diese Filmintellektuellen sich aufgeilen.«
    »Das ist es ja, was ich sage. Wir wollen keine mysteriöse oder exotische Sache. Ein Mord im Zusammenhang mit Dope passt gut.«
    »Erzählen Sie ihm von dem Fenster«, sagte Rose Marie.
    »Fenster?« Der Bürgermeister runzelte die Stirn.
    »In einem Gästezimmer neben dem Mordzimmer – dem Zimmer, in dem Maisons Leiche lag, wenn es denn der Tatort war, aber es sieht ganz danach aus – stand ein

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