Nachtblind
Jael Corbeau. Warum fragst du?«
»Es gibt Gerüchte, Alie’e habe Amnon sitzen lassen und eine Affäre mit Jael begonnen. Und Amnon sei deshalb verdammt sauer. Komische Sache – Bruder und Schwester … Egal, wir müssen die beiden ins Department holen und vernehmen.« Er sah Sloan an. »Machst du das? Ruf mich an, wenn es so weit ist, ich möchte dabei sein.«
»Okay.«
»Das sind beides biblische Namen«, erklärte Swanson. »Amnon und Jael …«
»So? Und was treiben die in der Bibel?«
»Keinen verdammten blassen Schimmer«, antwortete Swanson. »Ich erinnere mich nur an die Namen. Aus der Sonntagsschule.«
»Okay, wir holen sie uns zum Verhör, und dann können wir sie ja danach fragen«, sagte Lucas.
Lucas ging in das Zimmer, in dem Rowena Cooper, die Frau, die Alie’e Maisons Leiche gefunden hatte, von einem weiblichen Cop namens Dorothy Shaw beaufsichtigt wurde. Cooper war eine dünne, mürrische Frau mit dunklem Haar und rot unterlaufenen Augen. »Ich wollte Alie’e nur begrüßen«, sagte sie. »Als sie das letzte Mal in der Stadt war, sind wir zusammen im Kino gewesen. Ich wollte mich nur erkundigen, wie es ihr geht.«
»Sie hatten keine Möglichkeit, früher mit ihr zu sprechen?«, fragte Lucas.
»Nein, nein, ich kam bis Mitternacht nicht an sie ran. Und dann verschwand sie, um sich auszuruhen.«
Sie wusste tatsächlich sonst nichts, was von Belang war. Sie war mehr als zwei Stunden bei der Party gewesen, immer mit dem Ziel, Alie’e zu sprechen, wenn auch nur für einen Moment. »Wir teilten gemeinsame Bedenken im Hinblick auf die neueste Mode und ihre Entwicklung …«
Sie schien ernstlich entsetzt über den Mord an Alie’e zu sein, ohne Hansons Unterton egoistischer Aufgeregtheit. Lucas versuchte sie zu beruhigen, jedoch ohne viel Erfolg, und er überließ sie schließlich der Obhut von Detective Shaw.
»Del ist auf der Veranda«, sagte Swanson, als Lucas zurück zum Wohnzimmer ging.
Del hatte sich die Zeit genommen, für seine Verhältnisse ordentliche Kleidung anzulegen; er trug saubere Jeans, Sneaker ohne Löcher und ein graues Sweatshirt, dessen Ärmel er bis über die Ellbogen hochgerollt hatte. Er roch leicht nach einem Moschus-Deodorant, und sein langes Haar war noch feucht.
»Wir müssen mit den Leuten von der Abteilung Interne Angelegenheiten reden«, sagte Lucas. »Du musst dich den IA-Leuten sofort stellen. Um die Aktenlage sauber zu halten.«
Del nickte. »Kein Problem. Ich habe gestern Nachmittag von der Party gehört und Lane gesagt, wo ich hingehe. Es ist also alles okay.«
»Sehr gut.« Lane und Del bildeten Lucas’ so genannte »Einsatzgruppe für Strategische Planungen und Ermittlungen«.
Del sagte: »Ich habe dir eben nicht mehr sagen können, warum ich dich gestern am Telefon so dringend sprechen wollte … Hat dir jemand schon von Trick erzählt? Jemand aus dem Department?«
»Von was für einem Trick?«
»Von Trick Bentoin. Er war auf der Party gestern Abend. Ist gerade aus Panama zurückgekommen.«
Lucas sah ihn lange an, dann zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel. »Du willst mich wohl verarschen, wie?«
»Nein, Mann«, sagte Del und machte runde Augen. »Ich habe mit ihm gesprochen. Er fand das alles zum Schreien lustig. Er lacht ja kaum mal; aber gestern fiel er im Flur von Hansons Haus vor lauter Lachen fast um.«
»O gottverdammte Scheiße!«, sagte Lucas. Dann fing er an zu lachen, und Del fiel nach einigem Zögern ein. Ein uniformierter Cop mit einem ernsten, dem Mordtatort angemessenen Gesicht streckte den Kopf um die Türecke, sah, wer da so fröhlich lachte, und zog verstört den Kopf wieder zurück.
»Das wird ein wenig schwer zu erklären sein«, sagte Lucas schließlich.
Die Drogenfahndung, die Mordkommission sowie die Untersuchungsbeamten des Bezirksstaatsanwalts hatten mehr als vier Monate Arbeit investiert, um Beweise für eine Anklage wegen Mordes gegen Rashid Al-Balah zusammenzustellen. Al-Balah hatte, so unterstellte man ihm, Trick Bentoin ermordet und die Leiche in einen Sumpf im Carlos-Avery-Wildlife-Park geworfen, der traditionellen Entsorgungsdeponie für Leichen nach Morden in den Zwillingsstädten, wie man allgemein behauptete. Gefunden hatte man die Leiche allerdings nicht. Der Fall war daher im Hinblick auf die Beweise ein Indizienpuzzle gewesen: Samen eines speziellen Unkrauts auf dem Rücksitz von Al-Balahs Cadillac, von Botanikern der Universität von Minnesota als einzigartig und nur in diesem Sumpf
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