Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
sie.
     
     
    Die Besprechung dauerte fünfzehn Minuten. Als Lucas ging, sagte Rose Marie noch zu ihm: »Hey – halten Sie Ihr Mobiltelefon ständig eingeschaltet, okay? Während der ganzen Dauer der Ermittlungen!«
    Lucas hob unverbindlich die Schultern. Auf dem Weg zu seinem Büro wählte er Dels Nummer im Kurzwahlspeicher seines Handys. Del war mitten in der Anhörung durch die Leute von der Abteilung IA, und als Lucas die Forderung des Bürgermeisters nach einem »Bauernopfer« an ihn weitergab, sagte er: »Ich will sehen, was ich da tun kann, sobald ich hier raus bin.«
    »Wie läuft’s?«
    »Gut. Die Leute vom IA sind ein liebenswürdiger Haufen.«
    Lucas schaltete das Handy ab und steckte es zufrieden in seine Jackentasche zurück. Del brauchte seine Hilfe nicht … In seinem Büro gähnte er erst einmal ausführlich, zog die Jacke aus und schloss sich ein, ohne das Licht anzumachen. Er zog eine Schreibtischschublade heraus, setzte sich auf seinen Drehstuhl und legte die Füße auf die Schublade. Kurz vor sieben … Er war kurz nach zwei ins Bett gekommen, und normalerweise wäre er nicht vor zehn aufgestanden.
    Vor einigen Jahren – ehe er unbeabsichtigt zum reichen Mann geworden war – hatte er sich mit der Erfindung neuer Brettspiele beschäftigt, um sein Polizistengehalt ein wenig aufzubessern. Er hatte die Spiele in nächtelanger Arbeit entworfen, und jetzt, in der Erinnerung, schien diese Arbeit mit dem Polizeidienst auf den Straßen von Minneapolis zu verschmelzen. Die Spiele mauserten sich schließlich zu Computerspielen – Lucas entwarf sie, und ein angeheuerter Programmierer von der Universität von Minnesota setzte sie in Computer-Software um.
    Diese Arbeit führte zur Gründung der Firma Davenport Simulations, einer kleinen Softwarefirma, die sich schließlich darauf spezialisierte, Computersimulationen von krisenhaften Situationen im Bereich der Strafverfolgung zu erstellen; sie zielten darauf ab, Kommunikationsspezialisten der Polizei im Umgang mit sich schnell entwickelnden Krisen zu schulen. Als Lucas schließlich seine Anteile an der Firma an die Mitarbeiter verkaufte, wurden Produkte von Davenport Simulations bei den meisten polizeilichen Krisenstäben und Notrufzentralen der USA eingesetzt.
    Die Simulationen hatten ihn eigentlich nicht besonders interessiert. Sie waren für ihn einfach nur eine Möglichkeit gewesen, Geld zu verdienen, und wie sich zeigte, mehr Geld, als er jemals erwartet hatte. Sein Interesse galt weiterhin den Spielen, aber er hatte inzwischen seinen Platz in dieser Branche verloren. Die neuen dreidimensionalen Action- und Strategiespiele waren weitaus komplizierter als alles, was er sich noch vor fünf Jahren hatte ausdenken können.
    Als er ein reicher Mann geworden war und sich in der lokalen Politik engagiert hatte, war er nicht mehr in den Straßen der Stadt unterwegs. Aber in den vergangenen sechs Monaten hatte wieder einmal eine Veränderung in seinem Leben eingesetzt. Er durchstreifte erneut nachts die Straßen der »Citys«. Ging zu Orten, an denen er seit Jahren nicht mehr gewesen war: Kneipen, Bowlingbahnen, Frisörläden, Strip-Lokalen, die sich als Gentlemen Clubs tarnten. Baute eingerostete Beziehungen und Verbindungen wieder auf.
    Und redete wieder mit alten Freunden aus der Branche der Spielehersteller. Er hatte begonnen, eine neue Art von Spiel auszuknobeln. Ein Spiel, das in der realen Welt angesiedelt war, bei dem die Spieler, ausgerüstet mit tragbaren Computern und Mobiltelefonen, echte Siege erringen und zum Schluss sogar einen echten Satz aus Goldbarren finden konnten. Noch befand er sich im Stadium des Rohentwurfs, aber immerhin waren inzwischen die ersten krakeligen Flussdiagramme auf seinem Zeichentisch festgepinnt. Eine Idee pro Nacht, das war alles, was er anstrebte. Eine Idee, die er verwenden konnte. Aber eine Idee pro Nacht – das ergab letztlich eine Menge Ideen.
    Er lehnte sich zurück, gähnte, schloss die Augen. Vor seinem geistigen Auge tauchte Alie’e Maisons Leiche auf, ihre Füße, die hinter dem Bett hervorschauten, sowie die Leiche der anderen Frau auf dem Boden vor dem Wandschrank. Maison und ihre Freunde waren Doper, und Doper werden hin und wieder nun mal umgebracht; es geschah vierzig oder fünfzig Mal im Jahr in Minneapolis, mehrere tausend Mal in den Vereinigten Staaten.
    Aus Lucas’ Sicht waren Doper Abschaum der Menschheit, und wenn sie vorzeitig starben, nun, dann war es eben das, was Doper zu erwarten hatten. Dass

Weitere Kostenlose Bücher