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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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davon.
    Jael sah hinter ihm her, und zum ersten Mal nach vielen langen düsteren Stunden zuckte ein Lächeln um ihre Lippen. Aber als sie das Fenster zuschob und verriegelte, ging ihr ein flüchtiger Gedanke durch den Kopf.
    Nur Doper machten solche plumpen Einbruchsversuche. Aber der Mann hatte nicht den Eindruck eines Dopers gemacht.
    Eher den eines grobschlächtigen Hinterwäldlers.

11
     
     
     
    Sonntag. Zweiter Tag des Mordfalls Maison.
    Lucas holte die Pioneer Press von der Veranda und sah sich die dicke schwarze Schlagzeile an: »Alie’e Maison ermordet.« Darunter, etwas kleiner: »Erwürgt in Minneapolis.«
    Die Schlagzeile, dachte er, ist immerhin kleiner als die bei der ersten Mondlandung, vermutlich sogar kleiner als die nach dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor, soweit er sich an Reproduktionen der Zeitungsausgaben erinnern konnte.
    Aber nicht viel kleiner.
    Und er dachte auch: Trick Bentoin!
    Bezirksstaatsanwalt Randall Towson war nicht mit Lucas befreundet, aber er war ein netter Kerl. Er nahm den Anruf am Frühstückstisch entgegen. »Sagen Sie mir, dass Sie alles beisammen haben, was wir brauchen.«
    »Was bitte?«
    »Für eine Anklage gegen den Mörder von Alie’e Maison – Sie wollen mir doch sagen, dass Sie ihn geschnappt haben, oder?«
    »Ich habe etwas viel Besseres, bei Gott.« Lucas versuchte, einigen Ernst in seine Stimme zu legen. »Es hat sich mir die Möglichkeit eröffnet, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.«
    Der Staatsanwalt offenbarte vorsichtige Neugier. »Sie wollen mich irgendwie verarschen, oder?« Und leiser zur Seite: »Entschuldigung, Schätzchen …«
    »Nein, nein. Ich bin auf einen Mann gestoßen, der unschuldig von unserem Gefängnissystem vereinnahmt worden ist. Sie sollten dafür sorgen, dass er wieder rauskommt. Und können sich dann das Verdienst um den Sieg der Gerechtigkeit an die Fahnen heften; die dankbaren Steuerzahler werden Sie zweifellos bei der nächsten Wahl in Ihrem Amt bestätigen – zum wievielten Mal? Zum fünften?«
    »Dem sechsten«, sagte Towson. »Wovon zum verdammten Teufel … entschuldige, Schätzchen – ich frühstücke gerade mit meiner Enkelin …Also, wovon reden Sie?«
    »Del Capslock war vorgestern Abend auf der Alie’e-Party. Zur Zeit des Mordes war er nicht mehr dort, aber er hat einen alten Freund von uns getroffen.«
    »Wen?« Jetzt Argwohn in der Stimme …
    »Trick Bentoin.« Stille. So lang andauernde Stille, dass Lucas hinzufügte: »Trick war in Panama zum Gin-Rummy-Spielen.«
    Towson sagte schließlich mit ruhiger, fester Stimme: »Das ist ein echtes Problem.«
    »Ja.« Lucas nickte bekräftigend, auch wenn niemand das sehen konnte.
    »Wenn ich morgen zum Dienst komme, werde ich meine besten Leute darauf ansetzen, eine Lösung zu finden.«
    »Das wäre gut«, sagte Lucas.
    Wieder Stille. Dann brüllte Towson los: »Großer Gott, heiliger Jesus Christus, gottverdammte Scheiße, Davenport!« Und fügte sanft hinzu: »Entschuldige, Schätzchen.«
     
     
    Catrin.
    Was trägt man bei einem Sonntagslunch? Sie war mit einem Arzt verheiratet, was nach Geld roch. Sie würde es sicher vorziehen, wenn er konservativ gekleidet erschien, nicht irgendwie auffällig: Stiefel und Lederjacke kamen nicht in Frage. Lucas durchsuchte seinen Kleiderschrank sowie einen Stapel noch nicht eingeräumter Kleidung von der Reinigung und entschloss sich schließlich für eine Kombination, von der er hoffte, dass sie angemessen sei – dunkelbraune Hose, hellblaues Hemd, braunes schwedisches Sportjackett, dunkelbraune Mokassins. Vervollständigt wurde dieses Outfit durch seine »Gala-Pistole«, eine P 7, 9mm.
    Sorgfältige Überprüfung vor dem Spiegel; auch diverse Arten des Lächelns. Nein. Kein billiges Dauerlächeln, dachte er. Du musst ernst auftreten, ihr einfach nur zeigen, dass du dich über die Begegnung mit ihr freust …
     
     
    An Sonntagen war das Rathaus, in dem auch das Polizeipräsidium untergebracht war, normalerweise leer und verlassen. Heute war es anders. Lucas ging geradewegs zu Roux’ Büro; das Vorzimmer war leer, aber Rose Marie saß, gekleidet in eine lange Hose und einen Pullover mit struppigen weißen Schafen darauf, hinter ihrem Schreibtisch. Sie hatte zwei Besucher. Dick Milton, der Pressereferent des Departments, war früher Zeitungsreporter gewesen und hatte einmal eine achtteilige Untersuchung – Sonntag für Sonntag – über die besonderen Schönheiten des Eichenwaldes veröffentlicht. Angela Harris, die

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