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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Bewusstsein noch nicht erkannt habe. Er glaubte prinzipiell nicht an diesen Hokuspokus, hielt sich aber die Hintertür offen, es könne ja doch was dran sein. Er achtete daher durchaus auf Vorahnungen, aber in diesem Fall hatte es keine gegeben. Und auch als er von dem Mord an Plain erfahren hatte, spürte er keinerlei Vorahnungen, wie sich der Rest des Tages gestalten würde …
     
     
    Plain war in seinem Appartement – zugleich Studio – im Matrix Building in der Unterstadt von St. Paul ermordet worden. Diese an der Flussbiegung gelegene Gegend ist ein aus umgebauten Lagerhallen bestehender Gewerbebezirk, in dem sich vornehmlich Künstler und Jungunternehmer angesiedelt haben. Das Matrix ist eines der ältesten Gebäude dort unten, und man hat nur wenig Geld in seine Modernisierung gesteckt. Alle Fahrstühle waren als Lastenaufzüge konzipiert, und nach jahrzehntelangem Transport verschiedener Güter stank es in ihnen nach zerquetschten Früchten, faulen Zwiebeln und feuchten Kartons, dazu noch nach Farbe und Bier. In den Fluren standen reihenweise Mülltonnen, die meisten bis zum Überquellen voll gestopft. Hier war im Lauf der Zeit alles Mögliche verkauft worden: Naturprodukte, Haushaltswaren, Drogen, selbst Freizeitkleidung zum Großhandelspreis aus St. Pauls einzigem, die Arbeiter schamlos ausbeutenden Textilbetrieb.
    In letzter Zeit war Kunst zum meistgehandelten Produkt geworden, vornehmlich Bilder und Skulpturen. Und die Fotografien aus Amnon Plains Studio.
    Ein halbes Dutzend Cops der Stadtpolizei von St. Paul standen vor dem Gebäude, als Lucas vorfuhr. Er stellte den Porsche auf dem Parkplatz eines Möbelladens ab, zückte seine Dienstmarke einem Angestellten gegenüber, der ihn durch das Schaufenster beobachtete. Der Mann nickte, und Lucas ging über die Straße. Der Cop am Eingang erkannte ihn, reagierte auf Lucas’ »Guten Morgen« mit einem freundlichen Willkommen: »Schön, Sie bei uns zu sehen, Chief.«
    Ein anderer Cop führte ihn zum Aufzug: »Hoch zum siebten Stock, dann im Flur nach rechts gehen.«
    Ein Polizei-Lieutenant aus St. Paul namens Allport kauerte vor Plains Leiche und machte sich mit einem gelben Bleistift Notizen auf einem Stenoblock. Plain lag, ohne Hemd und Schuhe, mit dem Gesicht nach unten in einer Lache aus getrocknetem Blut, die sich über den Holzfußboden ausgebreitet hatte. Eine große braune Einkaufstüte lag einen halben Meter neben seinem Kopf; der Inhalt war über den Boden verstreut; Hefegebäck, eine Schachtel Cornflakes, ein Sechserpack Mineralwasser. Direkt neben der Tüte führte eine Metallwendeltreppe nach unten.
    Lucas schaute sich die Szene einige Sekunden an, dann sah Allport zu ihm hoch: »Ah, Gott sei Dank! Die Cops aus Minneapolis … Wir waren kurz davor, euch anzurufen und um Hilfe anzuflehen.«
    »Wir haben gehört, dass ihr einen Mordfall habt, und wir dachten uns, ihr könntet ein paar Ratschläge gebrauchen, wie man damit umgeht«, sagte Lucas.
    »Oh, das brauchen wir ganz bestimmt. Und was wäre der erste Rat?«
    »Holen Sie Ihren PR-Mann aus dem Bett und sagen Sie ihm, er soll schleunigst seinen Arsch hierher in Bewegung setzen«, antwortete Lucas. »In höchstens einer Stunde werden Sie bis zum Hals in der Medienscheiße stecken – CNN, ABC, CBS, NBC und jeder gottverdammte andere Sender, der sich mit irgendwelchen Initialen schmückt. Dazu die Presse.«
    »Ja.« Allport kratzte sich mit der Bleistiftspitze hinter dem Ohr. Dann drehte er sich um und sagte zu einem Cop an der Tür: »Holen Sie mir den Chief an den Apparat.«
    »Was hat sich hier abgespielt?«, fragte Lucas.
    Allport verschränkte die Hände vor dem Bauch. »Im Star war dieses tolle Foto von Alie’e – haben Sie es gesehen?«
    »Ja. Sexy.«
    »Haben Sie auch den Steifen bei dem Typ im Hintergrund gesehen?«
    »Ja … Also, was hat sich hier abgespielt?«
    »Ich sage Ihnen, wenn ich so einen Schwanz hätte, würd ich meine Brötchen bestimmt nicht als Schweißer verdienen … Na ja, egal … Plains Assistent sagt, alle Welt hätte nach Fotos geschrien. Sie haben sie übers Telefon verschickt – wie das funktioniert, habe ich nicht kapiert.«
    »Und?«
    »Der Assistent war bis halb fünf hier, dann machten die beiden eine Pause. Er sagt, Plain wollte unter die Dusche gehen, und sie brauchten was zu essen und zu trinken. So früh am Morgen war noch kein normaler Laden offen, und sie wollten in keines dieser die ganze Nacht geöffneten Restaurants gehen, also fuhr der Assistent

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