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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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einem Typen, der Computerkunst macht. Er ist nicht gerade das, was man einen gut aussehenden Mann nennen würd’, aber zum Teufel, ich bin ja auch nicht gerade die Maikönigin. Und er ist dort groß, wo’s drauf ankommt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ja, ehm …« Groß, wo’s drauf ankommt – das ließ den Gedanken an eine Verbindung zwischen diesem Computertypen und Clark dem Schweißer aufkommen. Aber Joyce war noch nicht fertig mit ihren Gedankengängen.
    »Wissen Sie, so ist das bei all den Computertypen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Zimmerdecke, als ob sie ein schwieriges Rätsel lösen müsste. »Ich weiß nicht, warum es so ist. Man meint doch immer, diese athletischen Typen wären die mit den großen Salamis, aber das stimmt nicht. Es sind immer diese schmalen, mageren Computerburschen, die an dieser Stelle kräftig ausgestattet sind.«
    »Sie machten ein Spielchen …« Lucas versuchte, sie zurück aufs Gleis zu bringen.
    Sie kippte den Kopf wieder nach vorne, sah ihn an, sagte: »Ja. Er gibt mir zwei Minuten Vorsprung, und wenn er mich dann innerhalb von fünf Minuten im Gebäude fangen kann, darf er mich ficken.«
    »Nun, ehm, das klingt nach …«
    »Manchmal schummele ich auch und lass mich fangen«, unterbrach sie. Sie rülpste laut. »Jedenfalls, wir rennen dann durch das ganze Gebäude … Ich lief gerade den Flur runter, da sah ich den Mann im Treppenhaus. Ich rief ihm Hallo zu, rannte weiter.«
    »War er auf dem Weg nach oben oder nach unten?«
    »Keine Ahnung. Er war einfach da, stand im Treppenhaus …«
    »Hat er auf Ihr Hallo geantwortet?«
    »Nein.«
    »Wie viel Uhr war es?«
    »Ich weiß es nicht, aber es war spät abends. Oder früh morgens. Wie auch immer … Ich habe heute Morgen ganz kurz mit Jimmy gesprochen, nachdem er die Leiche gefunden hatte.«
    »Jimmy – das ist Plains Assistent?«
    »Ja. Er hat gehört, wie ich im Flur was gerufen habe, und das kann nur das Hallo zu dem Mann im Treppenhaus gewesen sein. Also, als ich den Mann sah, war Plain noch am Le ben.«
    »Kam es Ihnen nicht seltsam vor, dass jemand mitten in der Nacht im Gebäude rumläuft?«, fragte Lucas.
    »In diesem Gebäude? Es käm’ mir komisch vor, wenn keine Leute nachts hier rumlaufen würden.«
    »Die Cops von St. Paul sagen, Sie hätten wahrscheinlich auch den Schuss gehört.«
    »Ja, das kann sein. Ich habe ein lautes Geräusch gehört, aber es hätte ja von einer zufallenden Tür stammen können. Wir haben hier alle diese Stahltüren, und es hallt von den Betonwänden wider, wenn sie mit einem Knall ins Schloss fallen. Ich habe also zu diesen! Zeitpunkt nicht darüber nachgedacht, aber ich habe es gehört.«
    »Wie sah der Mann im Treppenhaus aus?«
    »Massig. Mehr kann ich nicht sagen. Dick. Er stand irgend wie von mir abgewandt …« Ein fragender Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Wissen Sie, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist? Irgendwie blöd … Aber ich dachte, es könnte der Verkaufsautomatentyp gewesen sein. Der Mann, der die Verkaufsautomaten im Gebäude betreibt, sieht irgendwie aus wie der Mann im Treppenhaus.«
    »Haben Sie das den anderen Cops schon gesagt?«
    »Nein, es ist mir jetzt gerade erst eingefallen.«
    »Der Automatenbetreiber würde doch aber zu dieser frühen Morgenstunde nicht im Gebäude sein, oder?«
    »Nein.«
    »Aber Sie spielten Fang-mich-und-fick-mich …«
    »Ja, sicher. Es läuft so ab: Ich trinke mich am Morgen in so eine Art Trance, wie ich es jetzt tue. Dann schlafe ich bis nachmittags um drei oder vier Uhr. Ich stehe auf und fühle mich beschissen, dann esse ich was, und dann fange ich an zu arbeiten. Ich arbeite bis Mitternacht, dann … Na ja, dann esse ich wieder was, und manchmal kommt Neil vorbei, und wir machen unser Spielchen. Wenn ich danach müde werde, fange ich wieder an zu trinken.«
    »Hat dieser Neil, Ihr Freund, den Mann im Treppenhaus auch gesehen?«
    »Die anderen Cops haben ihn hergeholt und befragt, und er hat gesagt, er hätte niemand gesehen«, antwortete sie.
    »Okay« Lucas sah sich in dem Appartement um, das spartanisch wirkte, wenn nicht völlig kahl und leer. Als einzige Zierde hing ein Katzenkalender an der Wand. »Was für eine Kunst üben Sie aus?«, fragte er.
    »Gestaltende Kunst«, antwortete sie stolz.
     
     
    Lucas war gerade um die Ecke am Ende der Treppe gebogen, als er den Schrei der Frau hörte. Er kam aus Plains Appartement, und der Cop an der Tür fuhr herum und starrte nach innen.

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