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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Eine Frau kam herausgestürzt, prallte gegen die grüne Betonwand auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Der Aufprall geschah frontal, und sie taumelte zurück, machte noch einen Schritt seitwärts, und dann fing Lucas sie auf, als sie auf den Boden zu sinken drohte. Die Frau klammerte sich an ihn, hatte das Gesicht zur Seite gedreht, und Lucas sah die Narben auf ihrer Wange.
    Jael Corbeau … Sie schlang die Arme um ihn, krallte sich fest, um nicht zu stürzen. Lucas sah zur Tür, wo Allport aufgetaucht war.
    »O heiliger Jesus«, stieß er aus. »Sie hätten nicht …« Er sah Lucas an. »Wir sagten ihr, sie dürfe ihn erst sehen, wenn er im Leichenschauhaus liegt. Wir hatten die Plane über ihn gelegt, und sie riss sie runter, ehe wir sie daran hindern konnten. Mein Gott, Miz Corbeau, es tut mir Leid …«
    »Ich muss nach Hause …«, murmelte sie. »Ich muss nach Hause.«
    »Wo steht Ihr Wagen?«, fragte Lucas. Er schob sie sanft von sich, aber sie klammerte sich weiter mit einer Hand an seinem Jackenärmel fest. Sie hatte ihm noch nicht ins Gesicht geschaut; er war für sie zunächst einmal nur ein Pfahl, an dem sie sich festhalten konnte.
    »Ich habe keinen Wagen hier. Ein Freund hat mich hergebracht.«
    »Wartet er unten auf Sie?«
    »Nein, die Polizisten haben ihn nicht ins Gebäude gelassen, und ich habe ihm gesagt, ich würde mir nachher ein Taxi nehmen. Ich dachte … ich dachte … ich dachte, ich würde lange hier bleiben. Aber ich muss nach Hause. Seine … Leiche kann ich ja nicht …« Sie sah hinüber zur Tür des Appartements.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte Lucas.
    Jetzt sah sie ihn an. »Im Süden von Minneapolis.«
    »Ich bringe Sie hin«, sagte Lucas. Er sah Allport an. »Wollen Sie noch mit ihr sprechen?«
    Allport hob die Schultern. »Früher oder später wollen wir das, aber es muss nicht sofort sein. Wir reden heute Nachmittag oder morgen mit ihr … Es sei denn, Sie hätten wichtige Informationen für uns, Miz Corbeau.«
    »Ich weiß nicht … Ich weiß nicht …«
    »Sie lassen sich jetzt am besten nach Hause bringen«, sagte Allport. »Jemand von uns wird Sie heute Nachmittag anrufen … Ruhen Sie sich ein wenig aus.«
    »Schnell noch eine Sache: Joyce Woo sagt, der Mann, den sie im Treppenhaus gesehen hat, hätte wie der Verkaufsautomaten betreiber ausgesehen.«
    Allport runzelte die Stirn. »Davon hat sie uns nichts gesagt.«
    »Sie ist ein bisschen blau«, sagte Lucas. »Der Automatenbetreiber?«
     
     
    »Hier entlang«, sagte Lucas und führte Jael zur Tür. Auf halbem Weg blieb sie plötzlich stehen und sagte: »Ich muss doch nun alles arrangieren …«
    »Nicht jetzt«, sagte Lucas. »Im Moment können Sie nichts unternehmen.«
    »Die Beerdigung …«
    »Rufen Sie ein Bestattungsunternehmen von Ihrem Haus aus an. Ich kann Ihnen ein Unternehmen nennen, das alles für Sie arrangiert.«
    »O mein Gott …« Sie gingen den Flur hinunter.
    »Haben Sie Ihre Eltern schon verständigt?«, fragte Lucas.
    »Meine Mutter ist tot. Mein Vater … Ich muss ihn erst einmal auftreiben. Er ist zurzeit in Australien oder da unten irgendwo.«
    Im ersten Stock führte eine kurze breite Treppe zur Haustür; durch den Glasrahmen sahen sie den Rücken eines Cops, der den Eingang bewachte. Lucas drückte die Tür auf, der Cop fuhr zu ihnen herum, und Lucas hörte jemanden rufen: »Das ist sie, und der Mann ist Davenport!«
    Jael blieb stehen, und eine Gruppe von Leuten in dunklen Mänteln kam auf sie zugestürzt; ein Stück die Straße hinunter waren zwei Übertragungswagen des Fernsehens abgestellt. Ein Pressefotograf ließ bereits eine F5-Kamera klicken, und ein TV-Kameramann nahm sie hastig ins Visier, während ein anderer mit einer Reporterin im Schlepptau über die Straße auf sie zugelaufen kam. Lucas erkannte in der Reporterin eine alte Freundin, die zwischenzeitlich als Ansagerin hatte arbeiten müssen, nun aber wieder zur aufregenderen Tätigkeit der Reporterin zurückgekehrt war.
    Jael richtete sich der Meute gegenüber kampfeslustig auf, warf Lucas einen kurzen Blick zu, wartete ab, bis die zweite Kamera in Stellung gegangen war, lächelte, sagte dann: »Ich möchte nur eines sagen – haut ab, ihr Arschlöcher!« Und zu Lucas: »Wo steht Ihr Wagen?«
    »Drüben auf der anderen Straßenseite.« Er nahm sie am Arm, und sie gingen nach links die Straße hinunter. Die Reporterin blieb ihnen auf den Fersen.
    »Lucas, ist er tot?«
    Lucas sah sie über die Schulter an, sagte: »Wir sind in St.

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