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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Harris es ausdrückt, und fängt an, die Menschen umzubringen, die er in seinem Wahn für schuldig an Alie’es Tod hält – die Menschen, die sie zu dem Leben mit Drogen und Lesbierinnen und all dem anderen Bösen verleitet haben. Die Fotos in der Sensationspresse haben ihn in diesen Wahn getrieben: Die erigierten Brustwarzen und all das – so was wie ein psychosexueller Trip mit seiner Schwester …
    Er tötet Plain, macht dann den Anschlag auf Corbeau, wegen dieser Lesben-Sache, die da rausgekommen ist – er hat zwar Marcy getroffen, aber die Schüsse galten Corbeau. Und dann tötet der Psycho-Olson seine Eltern, die beiden Menschen, die Alie’e zu diesem wüsten Leben verführt haben und somit die wahren Schuldigen an ihrem Tod sind … Und wir wissen ja, dass er sie dafür verantwortlich macht. Dann, nachdem er sie umgebracht hat, läuft er in einem Zustand psychischer Erschöpfung durch das Einkaufszentrum, findet zurück zu seiner normalen Persönlichkeit. Und die weiß nichts davon, was die andere inzwischen getan hat … Und dann, in dieser Persönlichkeit, kehrt er zurück zum Motel, trifft Sie auf dem Parkplatz, geht hoch zum Zimmer der Eltern und stößt auf die Leichen. Er rennt hinter Ihnen her, aber in seinem Schockzustand beginnt er zu dissoziieren.«
    »Ach du heilige Scheiße – dissoziieren?«
    »Ja, Scheiße, aber so hat Harris es ausgedrückt.«
    »Er fällt geistig in Stücke, erkennt keine Zusammenhänge mehr«, versuchte sich Rose Marie an einer Erklärung. »Irgendwo im Unterbewusstsein weiß seine normale Persönlichkeit, was er getan hat, aber er kann es nicht verarbeiten. Und so bricht seine ganze geistige Hilfskonstruktion, die er sich mit den Persönlichkeitsspaltungen aufgebaut hat, in sich zusammen. Er hat das erlitten, was Sie gesehen haben – einen psychischen Zusammenbruch.«
    Lucas dachte über all das nach, sagte dann: »Er hatte Zugang zu den Wagenschlüsseln seines Vaters. Wenn es sich nicht um Mord mit anschließendem Selbstmord handelt …«
    »Unsere Vorstellungen bewegen sich in dieser Richtung. Wir warten jetzt darauf, was die Jungs von der Spurensicherung und der Leichenbeschauer am Tatort rausfinden. Wenn sie sagen, es sei ein Mord mit anschließendem Selbstmord, treten wir kurz; wenn sie sagen, es sei nicht so, nehmen wir uns Tom Olson vor. Er kann uns nicht entwischen; er liegt im Krankenhaus und schläft. Die Notfallsanitäter sagten, er sei in einem schlimmen Schockzustand.«
    »Okay«, sagte Lucas. »Mit Marcy sieht es ja gottlob ein wenig besser aus.«
    Rose Marie nickte. »Sie wird es schaffen, Lucas.«
    Sie dachten alle einen Moment an Sherrill, und ein dunkler Schatten streifte Lucas’ Bewusstsein – die erste echte Vorahnung an diesem Tag. Aber er behielt das für sich. »Es gibt da eine statistisch-wissenschaftliche Erkenntnis, die ich bei den Computerfreaks aufgegabelt habe, mit denen ich früher oft zu tun hatte«, sagte er.
    »So?«, fragte Lester.
    »Ja. Wenn man genug Informationen für eine fundierte Voraussage hat, kann das der Ansatz zur Beherrschung der Situation sein. Wenn Harris aufgrund ihres Informationsstandes sagt, beim Tod der Olsons handele es sich nicht um einen Mord mit anschließendem Selbstmord, wäre das so ein Ansatz.«
    »Sie sollten mal mit Ihrer Freundin, dieser Nonne, reden«, schlug Rose Marie vor.
    »Ich werde sie anrufen«, sagte Lucas.
     
     
    Lucas und Lester lungerten noch eine Weile bei Rose Marie herum, während sie Telefonate führte. Lester ging raus, um ein Diet Coke zu holen, brachte Lucas eines mit. Sie redeten über belanglose Dinge, warteten – dann piepste Lucas’ Mobiltelefon. »Das ist Del«, sagte Lucas und fummelte das Handy aus seiner Jackentasche.
    Aber es war nicht Del. Eine überraschte Dame von der Telefonzentrale fragte: »Haben Sie tatsächlich mal Ihr Mobiltelefon eingeschaltet, Lucas?«
    »Ja, ich bin’s. Ich meine, es ist tatsächlich mein Handy.«
    »Wie kommt es, dass Sie sich wirklich auch melden?«
    »Ich habe gerade nichts Besseres zu tun … Was ist los?«
    »Ich soll eine Nachricht von den Cops aus Maplewood an Sie weiterleiten. Sie haben den Wagen gefunden, nach dem Sie suchen.«
    »Welchen Wagen?«
    »Moment, ehm, ich habe den Namen notiert … Derrick Deal.«
    »Ach so, ja.« Die, wie ihm vorkam, vor ungefähr zehn Jahren eingeleitete Fahndung … Er sah auf die Uhr: Sechs Stunden waren in Wirklichkeit seitdem vergangen – und es hatte inzwischen zwei weitere Tote und einen

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