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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Natürlich hatte er noch keinen Tatverdächtigen, ja, nicht einmal eine halbwegs brauchbare Spur, aber er wollte heute vormittag Signora Kirschs Papiere durchgehen und so rasch wie möglich ihren Bruder sowie den Anwalt ausfindig machen. Er war sich bewußt, daß er bislang noch niemandem von dem Handtaschendiebstahl erzählt hatte, der darauf schließen ließ, daß ein Fremder sich ihrer Schlüssel bemächtigt, sie ihren Mörder also nicht selbst hereingelassen hatte… »Maresciallo?«
    »Ja. Ich hätte da noch etwas erwähnen sollen… Als das Opfer zu mir kam, also, da gab sie an, daß ihre Tasche…«
    »Es ist Ihr Fall. Sagen Sie’s dem Staatsanwalt. Er wird in einer Viertelstunde in der Wohnung sein und erwartet Sie dann dort. Allerdings möchten Sie zuvor noch die beiden Läden im Haus aufsuchen. Aber was Ihren Besuch bei Sir Christopher angeht, so würde ich Sie bitten, ihn nicht abzusagen, sondern nur zu verschieben. Ich werde Sie persönlich entschuldigen, und die Fingerabdruckabnahme heute vormittag, die übernehme ich für Sie. Ich könnte auch jemand anderen schicken, aber das würde er uns sehr übelnehmen, wissen Sie, und ich möchte da keine Unstimmigkeiten… Guarnaccia?«
    »Ja. Ja, natürlich, ganz wie Sie meinen, Capitano…«
    »Gibt’s Probleme?«
    »Nein… nein, ich denke, wenn wir zügig vorgehen, werden wir dem Fall Hirsch rasch auf den Grund kommen. Die Signora lebte so zurückgezogen, daß…« Der Maresciallo staunte über sich selbst. Er war kein Detektiv. Wie kam er dazu zu behaupten, er könne einen Fall lösen, von dem er noch so gut wie gar nichts wußte? Der Capitano würde sich gewiß fragen, was mit ihm los sei. Dabei ließ er sich aus purer Verlegenheit dazu hinreißen, so daherzureden, und hatte eigentlich nichts weiter im Sinn, als möglichst rasch das Thema zu wechseln. »Sie haben mir noch nicht gesagt… also was Sir Christopher angeht… sind wir da nur gehalten, einem prominenten ausländischen Mitbürger gegenüber Kulanz zu zeigen? Entschuldigen Sie die Frage, aber in dem Fall brauchte ich ihm ja nur einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, so kurz wie möglich. Sie verstehen, was ich meine? Also um die Wahrheit zu sagen – nachdem die Chance, den gestohlenen Kram wiederzubeschaffen, gleich Null ist und er obendrein nicht will, daß wir jemanden vom Personal beschuldigen, weiß ich nicht, warum er uns überhaupt gerufen hat. Diese Leute denken wohl, wir hätten nichts Besseres zu tun.«
    »Der Meinung sind sie, falls sie überhaupt darüber nachdenken, was ich bezweifle. Ich will offen zu Ihnen sein, Guarnaccia. Natürlich war es anfangs eine reine Gefälligkeit, und warum ich persönlich mitgekommen bin, wissen Sie ja bereits. Aber nun hat er eigens um Ihren Besuch gebeten, also tun Sie ihm den Gefallen, wenn nicht aus Achtung vor der Uniform, die wir tragen, dann mit Rücksicht auf seine Krankheit und sein Alter. Ich kenne niemanden, der soviel Geduld für alte und einsame Menschen aufbringt wie Sie.«
    Und diesem tüchtigen Mann natürlich auch… »Ja, ja. Aber er ist nicht alt.«
    »Nein, nach heutigen Maßstäben wahrscheinlich nicht … und was seine Krankheit angeht, so heißt es, bei guter Pflege habe er noch etliche Jahre vor sich.«
    »Nein.«
    »Nein? Hat er Ihnen mehr über sein Leiden erzählt? Obwohl er sich so geniert deswegen?«
    »Nein. Er hat mir nicht viel erzählt, aber er geniert sich überhaupt nicht für seine Krankheit. Nein, nein, es geht zu Ende mit ihm, und er weiß es.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Nein.« Nein, nein, nein! Der Maresciallo hätte sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen. Dem Fall Hirsch fühlte er sich gewachsen; er kannte die Sdrucciolo de’ Pitti inund auswendig, wußte, wie man mit Leuten wie den Rossis und mit Zeugen wie den Ladeninhabern umgehen mußte. Vielleicht würde er den Fall nicht lösen, bis jetzt hatte er nicht die kleinste Spur; trotzdem wußte er, wo er stand und was er zu tun hatte. Warum konnte der Capitano nicht einen schneidigen jungen Offizier in die Villa schicken, einen dieser Absolventen von der Militärakademie, der aus einer guten Familie stammte und mit dem Engländer Tee trinken würde, ohne im Blumengarten über die eigenen Füße zu stolpern.
    Und diesem tüchtigen Mann natürlich auch. Werde ich Sie wiedersehen? Der traurige, fast flehende Blick, bevor Sir Christopher sich abgewandt hatte.
    Was wollten, was erwarteten die Leute von ihm?
    Sie werden also bei mir vorbeikommen, wie

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