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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Jedenfalls war’s, über den Daumen gepeilt, halb neun. Ist es wahr, daß sie ihr die Kehle durchgeschnitten haben? Ich hab ja immer gesagt, irgendwas stimmt nicht mit der – sie war doch Ausländerin, nicht? Gut, sie hatte keinen Akzent, aber der Name…«
    Der Pathologe gesellte sich zum Staatsanwalt und gab – törichterweise, wie der Maresciallo fand – ebenfalls eine Presseerklärung ab, in der er zwar nicht explizit die Todesursache nannte, aber die Wunde am Hals bestätigte sowie einen erheblichen Blutverlust, worauf die Reporter unisono in ihre Blöcke kritzelten: »Mordopfer mit durchschnittener Kehle aufgefunden!«
    Dann die Fragen: Enthielt der Safe gestohlenen Schmuck, den sie nicht zu tragen gewagt hatte? Stimmt es, daß sie regelmäßig zu einem geheimnisvollen Fremden ging, der ihre Besuche nie erwiderte? Könnte es sein, daß derjenige im Gefängnis saß und sie deshalb niemandem von ihm erzählen mochte? Die Antwort lautete jedesmal: kein Kommentar. Aber die Reporter würden einfach all ihre Fragen, nebst den noch ausgefalleneren Antworten, die ihnen später dazu einfielen, zitieren, um ihre Artikel für die morgige Zeitung aufzufüllen, und mit der Standardformulierung schließen: »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geben die Ermittler keine weiteren Informationen preis.«
    ›Nun ja‹, dachte der Maresciallo, während er in philosophisch abgeklärter Stimmung zu seiner Wache im linken Flügel des Palazzo Pitti hinaufstieg, ›die machen halt auch nur ihren Job.‹ Und als er unter dem Torbogen durchging, wo schon die große Laterne brannte, hoffte er, daß auch seine Frau heute abend philosophisch gestimmt sein möge. Denn er war wieder spät, sehr spät dran und hatte nicht angerufen.
    Krieg den Hooligans: 45 Fiorentina-Fans droht für den Rest des Jahres Stadionverbot – Bürgermeister Online: Der Saal Clemente VII im Palazzo Vecchio wird digital aufgerüstet. Ah Oktober können die Florentiner einmal im Monat vom heimischen PC aus mit ihrem Bürgermeister chatten – Alleinstehende Frau in der eigenen Wohnung überfallen und verblutet, nachdem die Täter ihr die Kehle durchgeschnitten hatten. Der Leichnam wurde erst vier Tage später entdeckt – Guten Abend, verehrte Zuschauer. Soweit die Schlagzeilen unserer dritten Ausgabe der Regionalnachrichten. Und nun zu den Meldungen im einzelnen…
    »Salva! Beeil dich, dein Fall kommt im Fernsehen!«
    Der Maresciallo erschien kurz darauf in einen weißen Bademantel gehüllt, stellte sich neben das Sofa und rubbelte sich mit einem großen Handtuch die Haare trocken. Das Abendessen war schon fast verkocht gewesen, als er heimkam, und so hatte er mit dem Duschen warten müssen.
    »Willst du dich nicht setzen und es dir ansehen?«
    »Da wird nicht viel zu sehen sein.«
    »Pscht! Siehst du, jetzt, wo wir einen Computer haben, werden wir uns direkt an den Bürgermeister wenden können.«
    »Wir haben keinen Computer, die Jungs haben einen, und sofern der Bürgermeister keine Lust auf ComputerSpiele hat, wird er wohl kaum von ihnen hören.«
    »Ist sie das in dem Sarg, der da in die Ambulanz verladen wird?«
    »Ja.«
    »Ich habe über solche Einbrecher gelesen, die alte Menschen mit Gas betäuben und sie dann ausrauben, aber jemandem die Kehle durchschneiden… Warum reden die eigentlich immer in der Mehrzahl? Woher wissen sie, daß es nicht bloß ein Täter war?«
    »Ein Safe von der Größe wäre zu schwer gewesen für einen einzelnen und…«
    »Da, guck doch mal! Das bist du neben der Ambulanz, oder? Nein, doch nicht.«
    »Laß uns schlafen gehen.«
    In einem Mordfall sind die ersten achtundvierzig Stunden von entscheidender Bedeutung. Danach fangen die Zeugen bereits an, Daten und Uhrzeiten durcheinanderzubringen, Verdächtige haben ihre Alibis fabriziert oder sich über die Grenze abgesetzt. Eventuell widersprüchliche Aussagen sind aufeinander abgestimmt, konspirative Telefonate geführt und verräterische Kleidungsstücke vernichtet worden. Und wer immer in diesen ersten beiden virulenten Tagen mit wichtigen Informationen ins Rampenlicht drängt, sollte keine Zeit haben, sich noch einmal zu überlegen, ob er wirklich in so einen brisanten Fall verwickelt werden will. Also konnte der Capitano doch nicht erwarten, daß er gerade jetzt zur Villa L’Uliveto raufstiefelte und kostbare Zeit mit der Fahndung nach ein paar Nippsachen vergeudete?
    »Bleiben Sie dran. Ich habe den Staatsanwalt auf der anderen Leitung.«
    Der Maresciallo wartete ergeben.

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