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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Schweigen zu beenden. Wie lange so ein Manöver in Anspruch nahm, das stand immer im umgekehrten Verhältnis zu Intelligenz und Bildung des Opfers. Es gab welche, die hielten durch bis zum bitteren Ende – vom Verhör über Prozeß und Berufung bis zur Haft, ja, bis in den Tod. Rinaldi brauchte keine halbe Minute. Ein sehr gescheiter Mann.
    »Sie kennen doch sicher das alte Sprichwort: ›Kein Rauch ohne Feuer‹? Ich meine, in Ihrem Beruf haben Sie bestimmt gelernt, sich auf das Gerede der Leute Ihren eigenen Reim zu machen.«
    »O ja, gewiß.«
    »Also wir hatten keinen Streit, aber das Verhältnis war – nun, sagen wir gespannt –, nachdem sie mir etwas hatte verkaufen wollen und mein Angebot ihr unverschämt erschien. Ich bin sicher, wenn Sie sich hier umschauen, werden Sie feststellen, daß das, was sie zu bieten hatte, kaum…«
    »O ja, gewiß. Lauter erlesene Stücke, was Sie hier haben.«
    »Genau. Und Sie waren doch sicher in ihrer Wohnung. Muß ich noch mehr sagen? Trotzdem konnte ich sie natürlich verstehen. Für sie hatte das, was sie mir andrehen wollte, vermutlich ideellen Wert, und wenn sie es aus Geldnot verkaufen mußte, kann es schon sein, daß sie sich durch mein Angebot gekränkt fühlte und mich dann bei den Leuten schlechtgemacht hat.«
    »Verstehe. Daß sie direkt schlecht von Ihnen gesprochen hätte, habe ich allerdings nirgends gehört. Und am Ende haben Sie ihr die Leuchter ja auch abgekauft, nicht wahr?«
    »Wie bitte?«
    »Vielleicht ein Irrtum meinerseits. Aber ich hörte, daß sie ein paar Kerzenleuchter besaß, und da sie nicht mehr in der Wohnung sind, dachte ich… Andererseits, wenn Sie nicht genug geboten haben, hat sie sie vielleicht an jemand anderen verkauft. Ja, so wird es gewesen sein. Waren Sie zu Hause an dem Abend, als Signora Hirsch ermordet wurde?«
    »Ich dachte, Sie wüßten nicht, wann sie ums Leben kam, nur, daß sie schon seit einer Weile tot ist.«
    »Montagabend. Steht heute morgen in der Zeitung.«
    »Aha. Nun, ich kaufe mir nicht jeden Tag eine Zeitung.«
    »Nicht einmal, wenn Ihre Nachbarin ermordet wurde?«
    »Nicht einmal dann. Da ich die Signora kaum kannte, fühle ich mich auch nicht betroffen. Übrigens habe ich heute morgen schon mit dem Staatsanwalt über den Fall gesprochen. Er war kurz vor Ihnen da. Wie sich herausstellte, kennen wir uns von früher. Sind uns auf irgendeiner Abendgesellschaft vorgestellt worden.«
    »Oje. Er ist also bereits im Haus? Dann sollte ich mich wohl beeilen. Er wartet sicher schon. Wir sehen uns ja wohl noch. Guten Morgen, Signore.« Und der Maresciallo ging nach nebenan ins Lebensmittelgeschäft.
    Dort überließ Paolo, der Inhaber, die Kundschaft seinem aufgeweckten Sohn, während er dem Maresciallo im Lager hinter dem Ladenlokal einen Stuhl anbot und telefonisch in der Bar auf der Piazza Pitti zwei Kaffee bestellte. Und dann führten die beiden ein sehr ergiebiges Gespräch.
    »Haben Sie mal von einem Streit zwischen Rinaldi, dem Antiquitätenhändler, und Signora Hirsch gehört? Oder ist Ihnen aufgefallen, daß sie – wie er es nennt – ein gespanntes Verhältnis hatten?«
    »Streit, gespanntes Verhältnis? Ich würde sagen, das trifft es beides nicht. Die arme Signora war in Tränen aufgelöst, das weiß ich noch wie heute. Weinend kam sie gleich hinterher zu uns in den Laden.«
    Signora Hirsch: eben noch ganz würdevolle Eleganz, im nächsten Augenblick ein weinendes Häuflein Elend.
    »Ich sagte noch zu ihr: Signora, sagte ich, gehen Sie nur schon nach oben, mein Junge bringt Ihre Einkäufe nachher rauf. Die Wasserflaschen sind sowieso zu schwer für Sie. Die Signora hatte nämlich Angina, wissen Sie.«
    »Ach, wirklich? Wissen Sie das genau?«
    »Aber ja! Meine Frau leidet auch darunter. Die arbeitet seit Jahren nicht mehr im Laden mit, weil sie sich schonen muß. Und das habe ich auch der Signora Hirsch gesagt, ich sagte: Überanstrengen Sie sich nicht. Solange ich hier bin, brauchen Sie keine schweren Einkaufstaschen zu schleppen. Und dann dürfen Sie sich auch nicht so aufregen, hab ich gesagt, das schadet nur Ihrer Gesundheit, und das ist die Sache doch nicht wert, oder?«
    »Ich… ja, ja. Welche Sache?«
    »Na, die Fassadenrenovierung. Gut, das Dach kam auch noch dazu, und ich glaube gern, daß das eine schöne Stange Geld gekostet hat.«
    »Und darum der Krach mit Rinaldi? Er sagte auch, daß sie Geldsorgen hatte. Aber wenn sie sich an den Renovierungskosten beteiligen sollte, dann muß ihr die Wohnung

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