Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
gehört haben… eigenartig… Rinaldi sagt, sie hätte ihm etwas verkaufen wollen, und er habe ihr erklärt, daß es nicht soviel wert war, wie sie gehofft hatte.«
    »Armes Ding. Tja, irgendwie hat sie’s wohl doch geschafft. Die Renovierung ist abgeschlossen. Aber nun ist sie tot. Ach ja, die Gesundheit ist das höchste Gut – solange man die hat, sollte man allen anderen Ärger nicht so wichtig nehmen.« Paolo lächelte, und seine blauen Augen leuchteten noch heller als gewöhnlich, als er sein rosiges Gesicht vertraulich dem des Maresciallos näherte.
    »Wahrscheinlich wissen Sie das längst, aber meine Tochter war Montagabend auch drüben eingeladen. Also auf Nummer 6. Nun ist mein Schwiegersohn Architekt und gut bekannt mit Rossi, der hier oben über der Signora Hirsch wohnt und auch dabei war an dem Abend. Und als dann der ganze Krach nebenan losging, da meinte mein Schwiegersohn, sie sollten rüberlaufen, er und Rossi, und nachschauen, was los sei. Tja, und hinterher haben wir uns natürlich gefragt, ob sie wohl noch rechtzeitig gekommen wären, um sie zu retten?«
    »Ich glaube kaum. Nein, ich denke, als die Männer den Safe aus der Wand brachen, war es für die Signora schon vorbei.«
    »Jetzt ist es natürlich sowieso zu spät, aber man fragt sich halt doch immer wieder… Soll ich noch einen Kaffee kommen lassen?«
    »Nein, nein… Aber besten Dank, und Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
    »Keine Ursache. Wir sind immer für Sie da.«
    Als der Maresciallo, die Mütze in der Hand, in den zweiten Stock hinaufstapfte, hing er in Gedanken dem merkwürdigen Phänomen nach, das die Florentiner Abendgesellschaft nannten. Unabhängig davon, in welchem Bezirk man sich befand, kursierten offenbar überall die gleichen Klatschgeschichten. Ausgehend vom Kaufmann, der den Architekten kannte, der mit dem Nachbarn … Über den Journalisten, der den Barkeeper kannte, der die Lustknaben für den Marquis beschaffte, der die Amerikanerin geheiratet hatte, deren Putzfrau auch bei dem Übersetzer arbeitete, der den Journalisten kannte… Und während man die Anekdoten weiterreichte, wurden sie immer besser, so daß sich die letzte Version kaum mehr auf die schlichte Ausgangsstory zurückführen ließ.
    Die Siegel waren erbrochen, die Tür stand offen. Der Maresciallo fand den Staatsanwalt mit einem Stapel von Dokumenten auf dem unbenutzten Doppelbett sitzen. Lächelnd blickte er auf und begrüßte ihn.
    »Ah, Maresciallo. Guten Morgen. Und was können Sie mir über unseren Freund Rinaldi aus dem ersten Stock erzählen?«
    »Er behauptet, Sie zu kennen.«
    »Ja, das hat er mir auch gesagt. Von irgendeiner Abendgesellschaft her, die mir inzwischen entfallen sein muß. Könnte natürlich trotzdem stimmen. Ich hab für so was kein Gedächtnis. Und sonst?«
    »Er sagt, er sei nie in dieser Wohnung gewesen. Und daß ihre Sachen nichts wert seien. Seinen Maßstäben genügten sie sicher nicht, das können wir wohl bestätigen. Rinaldi will so gut wie nie mit dem Opfer gesprochen haben, gibt aber zu, daß es einmal zu Unstimmigkeiten gekommen sei. Angeblich wegen irgend etwas, das sie ihm verkaufen wollte.«
    »Und um was handelte es sich?«
    »Das wollte er nicht sagen.«
    »Aber ich wette, beim Kaufmann nebenan haben Sie’s doch in Erfahrung gebracht.«
    »Er sagt, bei dem Streit sei es um Renovierungsarbeiten am Haus gegangen.«
    »Also ein Krach unter Wohnungseigentümern. Klassischer Fall. Setzen Sie sich, Maresciallo.«
    Der Maresciallo ließ sich vorsichtig auf einem brokatenen Sessel mit geschwungener Lehne nieder. Ein Sitzmöbel, über das man vielleicht ein zartes Negligé drapieren konnte, das jedoch kaum stabil genug schien, neunzig Kilo Lebendgewicht zu tragen. In einer solch prekären Situation, wie sie dem Maresciallo leider ziemlich oft begegnete, pflegte er sich kerzengerade hinzusetzen und einen Großteil seines Gewichts auf die Beine zu verlagern.
    »Ich dachte, Sie würden die beiden am ehesten aus der Reserve locken«, fuhr der Staatsanwalt fort. »Außerdem habe ich noch zwei Männer von Borgognissanti von Tür zu Tür geschickt. Schließlich müssen die Täter den Safe doch irgendwie hier rausgeschafft haben. Die beiden haben die ganze Straße abgeklappert, aber leider… keiner hat was gesehen.«
    »Die Läden waren schon geschlossen, und die Nachbarn saßen beim Abendessen«, wiederholte der Maresciallo die Aussage des Lebensmittelhändlers. »Um die Zeit dürften praktisch nur Touristen unterwegs

Weitere Kostenlose Bücher