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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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großen Kanzlei. Allerdings offenbar ein sehr erfolgreicher. Oder aber beim Maresciallo machte sich wieder einmal sein Alter bemerkbar.
    »Sie haben etwas für mich?« Der Anwalt zog eine goldene Füllfeder aus der Brusttasche und setzte mit einer plumpen, aber sorgsam manikürten Hand eine winzige Unterschrift auf eine Ausfertigung des Diebstahlprotokolls. Die andere steckte er kommentarlos ein. Dann führte er den Maresciallo fast wie einen Bären an der Kette zurück Richtung Ausgang.
    »Hier durch die Halle und dann immer geradeaus…«
    »Danke. Ab hier kenne ich mich aus.« Er hatte sich Zeit gelassen, die Gelegenheit genutzt für einen Blick ins düstere Rund der mit Fresken verzierten Kuppel und sich, fast auf Zehenspitzen, dem Springbrunnen genähert. Ob der wohl je angestellt wurde? Wahrscheinlich nicht. Das Marmorbecken war trocken und verstaubt.
    Keine Gäste mehr, mit Rücksicht auf Sir Christophers angegriffene Gesundheit.
    Dem Maresciallo kam das ganze Haus trocken und verstaubt und sehr traurig vor. Ein Geräusch zu seiner Rechten ließ ihn aufhorchen. Da weinte jemand. Hinter einer nur angelehnten Flügeltür brannte Licht. Eine jungenhaft helle Stimme beteuerte etwas, das der Maresciallo nicht verstand, obgleich er zwei, drei Worte aufschnappen konnte. Dann erstickte dieselbe Stimme in Schluchzen. Der Maresciallo stand wie angewurzelt. Er sah eine Hand, Porteous’ Hand, dessen war er sich ganz sicher, eine kleine Geste machen und mehrfach wiederholen. Der Lichtschein fiel auf ein emporgewandtes Gesicht. Das tränenüberströmte Antlitz eines jungen Mannes, fast noch ein Kindergesicht. Porteous berührte ihn an der Schulter, nicht mit tätschelnden, sondern eher kreisenden, kleinen Massagebewegungen.
    An dem Punkt war der Maresciallo so leise er konnte zu dem Korridor zurückgeschlichen, aus dem er gekommen war, und hatte dann noch einmal mit schweren Schritten die Halle durchquert. Als er diesmal an der Flügeltür vorbeikam, war sie geschlossen.
    Als er Lorenzini um ein Uhr morgens im Krankenhaus davon erzählte, eigentlich nur um sich vom bangen Warten auf die Diagnose des Arztes abzulenken, wirkten die Vorgänge in der Villa L’Uliveto ganz und gar unwirklich. Lorenzini schien nicht sonderlich beeindruckt. Er zuckte nur mit den Schultern und meinte: »Also sind das lauter Homos da oben, dieser Sir Sowieso eingeschlossen. Und wenn gestohlene Haarbürsten seine einzige Sorge sind…«
    »Und seine Gesundheit«, gab der Maresciallo zu bedenken. »Man hat mir gesagt, gestern und heute sei es ihm sehr schlechtgegangen.«
    »Und da rufen sie einen Anwalt?« Lorenzini, ein in der Wolle gefärbter Toskaner, nahm kein Blatt vor den Mund.
    »Man sollte denken, sie würden als erstes einen Arzt holen.«
    »Ja, das würde man annehmen… Natürlich war ich nur ganz kurz drin. Wahrscheinlich ist irgendwann auch der Arzt bei ihm gewesen, aber ich hatte den Eindruck, ihm ist mehr um seinen Nachlaß bange, als vor dem nahen Ende.«
    »Seine Probleme möchte ich haben… Sucht die Schwester da nach uns?«
    Die Schwester wollte tatsächlich zu ihnen, aber nur, um sie wegzuschicken. »Wenn sie die Nacht übersteht, wird der Chirurg sie morgen röntgen lassen und dann entscheiden, ob er operiert.«
    »Und besteht Hoffnung, daß sie überlebt?«
    »Kaum, aber wenn, dann hat sie eine harte Zukunft vor sich. Wir wären Ihnen wirklich dankbar, wenn das mit der Identifizierung klappt.«
    »Natürlich. Wir melden uns.«
    Sie lockerten ihre steif gewordenen Glieder und traten aus der Kühle des großen Warteraums hinaus in die schwüle Nachtluft. Der junge Carabiniere hatte auf dem Fahrersitz gewartet, und als er ausstieg, um sich wieder nach hinten zu setzen, verrieten sein leicht taumeliger Gang und die schleppende Stimme, daß er eingenickt war, was ihm offensichtlich ein schlechtes Gewissen machte.
    Seine Vorgesetzten gingen kommentarlos darüber hinweg. Lorenzini chauffierte sie zurück zum Pitti und fuhr von dort mit dem eigenen Wagen heim. Während der Maresciallo nach seinen Schlüsseln tastete, konnte er die beständig wechselnden Bilder nicht aus seinem Kopf verscheuchen, das vertrauensvolle Lächeln, mit dem das Mädchen auf ihn zugetorkelt war – was hatte sie gesagt? Für wen hatte sie ihn gehalten? Dann der schlaffe kleine Kadaver des armen Kaninchens, der zum Abbalgen auf dem Tisch lag. Oben angekommen, schloß er leise auf und betete zugleich darum, daß das leise Einschnappen der Tür Teresa wecken

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