Nachtblüten
Adelstitel eingebracht.«
»Ich dachte, sein Hobby sei die Malerei.«
»Ach, du lieber Himmel, nein! Die nimmt er sehr ernst. Was in meinen Augen weniger harmlos ist. Anspruchsneurose, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich, nein… nein, da kann ich Ihnen nicht folgen.«
»Also, Menschen, die, wie man so sagt, mit einem silbernen Löffel im Mund zur Welt gekommen sind, bilden sich leicht ein, daß ihnen alles zusteht, was sie sich wünschen, und sei es, ohne einen Funken Talent ein berühmter Maler zu werden. Gerade auf künstlerischem Gebiet ist das zum Heulen, wenn man bedenkt, daß diese reichen Leute ihr ganzes Leben an etwas vergeuden, das sie nie beherrschen werden. Und bestimmt wissen sie das auch selbst, egal wie sehr sie sich anstrengen und sich was vormachen, meinen Sie nicht? Leider funktioniert es in manchen Bereichen sogar, wie zum Beispiel auf meinem Gebiet, der Landschaftsgärtnerei. Aber ich habe nicht die leiseste Chance, außer es gelingt mir hierzubleiben. Dabei kenne ich eine Menge Leute, die es geschafft haben, nicht, weil sie begabt waren, sondern weil sie entweder ein geeignetes Anwesen mit dem entsprechenden Grund geerbt oder in die richtige Familie eingeheiratet hatten. Ach, ich wünschte, ich könnte meine Ambitionen mit denen Sir Christophers tauschen – ich meine, Farben und Leinwand könnte auch ich mir leisten, aber was ich für meine Arbeit brauche, ist all das.«
Der Maresciallo ließ den Blick über ›all das‹ schweifen und verstand, worauf der Junge hinauswollte.
»Ich finde, es ist ein Jammer, daß die tollen Leute nicht mehr herkommen. Das wären nämlich potentielle Auftraggeber für mich. Aber zur Zeit steht das Gästehaus leer. Wie sieht’s übrigens in der Villa aus? Waren Sie schon mal drin?«
»Nur ganz kurz. Wollen Sie damit sagen, Sie kennen sie überhaupt nicht?«
»Habe nie einen Fuß reingesetzt. Sir Christopher ließ mich durch den Obergärtner willkommen heißen, aber ich bezweifle, ob er wüßte, wer ich bin, wenn er jetzt hier vorbeikäme und mich mit Ihnen sähe.«
Das brachte den Maresciallo auf das Rätsel, das ihn so sehr beschäftigte.
»Wie kommt es, daß ich hier nur so wenige Leute gesehen habe? Ich meine, ich bin erst zum zweiten Mal da, aber bei meinem ersten Besuch habe ich gar kein Personal wahrgenommen – außer einem Sekretär.«
»Auf einem Besitz wie diesem soll man das Personal auch nicht sehen, Maresciallo.«
»Ach so, ja… das hatte ich nicht bedacht.«
»Trotzdem haben Sie nicht ganz unrecht. Zum Beispiel gibt es außer dem Obergärtner und mir noch sechs weitere Gärtner, die außerhalb wohnen und jetzt fast alle im Urlaub sind. Für den Garten ist das eine tote Zeit. Bei dieser trockenen Hitze wächst nicht mal das Unkraut. Sogar der Obergärtner geht den ganzen August in Urlaub. Und was das Hauspersonal betrifft – da mit Rücksicht auf Sir Christophers angegriffene Gesundheit keine Gäste mehr kommen, sind zur Zeit nur noch die Haushälterin und die Köchin ständig da. Für den letzten Butler, der nach dem großen Diebstahl gehen mußte, wurde kein Nachfolger mehr engagiert, und die Hausund Küchenmädchen kommen von außerhalb. Die Köchin macht auch gerade Urlaub und wird für einen Monat von einem englischen Koch vertreten. Die Haushälterin verreist im August, und nach ihrer Laune zu urteilen, würde es mich nicht wundern, wenn sie nicht wiederkäme. Der Obergärtner sagt, es sei wegen Ihrer Aktion mit den Fingerabdrücken. Sie verdächtigen sie doch nicht wirklich, oder?«
»Natürlich nicht. Ich war zwar nicht dabei, aber ich bin sicher, daß bei allen, die im Haus arbeiten, Fingerabdrücke genommen wurden, und zwar nur, um sie aus dem Verdächtigenkreis auszuschließen. Überprüft werden lediglich unidentifizierte Fingerspuren und solche, die an Orten gefunden werden, wo sie nicht hingehören.«
»Hier haben sie den armen Giorgio im Verdacht. Weil er Albaner ist. Die Haushälterin lamentiert dauernd, daß man keine Ausländer hätte ins Haus lassen dürfen. Vor mir, natürlich.«
»Wenn ihr das mit den Fingerabdrücken so zusetzt, dann sollte ich vielleicht kurz mit ihr reden, wo ich schon mal hier bin.«
»Ihr ist das ganz schön an die Nieren gegangen. Ihre Fingerabdrücke waren nämlich die einzigen, die im Schlafzimmer von Sir Christophers Vater gefunden wurden, und das weiß sie. Dieses Zimmer hält sie selbst in Ordnung. Es wird ja nie benutzt, außer wenn Sir Christopher seine sentimentalen
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