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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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wider, bis sie verstummen.
    Loren geht den Weg des geringsten Widerstandes und fällt spontan in Ohnmacht. Einer der Männer muss sie auffangen, als sie zu Boden zu sacken droht. Eine wirklich imposante Geste, und so nützlich! Ohnmachtsanfälle gehören einfach nicht in mein Repertoire, denn sie lösen überhaupt nichts und hinterher sind alle Probleme nur noch größer als vorher.
    Der Schreie ungeachtet fährt Mr. Morgan fort: „Sie stehen nun unter Arrest, Sir. Man wird Sie in Ihr Quartier bringen, und dieses werden Sie nicht verlassen, bis wir Southampton erreicht haben. Dort wird man Sie von Bord geleiten.“
    „ Was für eine Unverschämtheit“, brüllt Ben und kämpft gegen die Handschellen an. „Wissen Sie denn nicht, wer ich bin?“
    Morgan lächelt ihn feinfühlig an. „Das weiß ich zum Glück sehr genau, Sir: Ein festgesetzter Passagier sind Sie und nicht mehr.“
     
    Unter Protest wird Ben abgeführt. Loren, die wieder zu sich gekommen ist, schlurft mit herunterhängenden Schultern hinterher. Alex ist mit Desmond beschäftigt, so dass niemand mir Beachtung schenkt.
    Da ich anscheinend nicht mehr gebraucht werde, verdrücke ich mich unauffällig. Oder zumindest möchte ich das, aber kurz bevor ich den Ausgang erreiche, vertritt mir Mr. Morgan den Weg.
    „ Einen Moment noch, Miss Ashton.“ Och nö! Ich halte inne und drehe mich zu ihm um. „Das war ja eine interessante Geschichte, die Sie uns da erzählt haben.“
    Ich kneife die Augen ein Stück weit zusammen. „Finden Sie?“
    Er lächelt. „Ja, das finde ich. Vor allem, weil Sie beinahe nichts davon in Ihrer Zeugenaussage erwähnt haben.“
    Ich zucke mit den Schultern. „Es war gestern wirklich sehr spät, Sir. Dazu war ich nass und erschöpft, wie Sie sicherlich bemerkt haben.“
    Er nickt und knackt mit den Fingerknöcheln. „Absolut.“
    Lange blicke ich ihn an und er bricht als erster das Schweigen. „Ich hoffe, Sie vergessen es dieses Mal nicht zu erwähnen, damit wir eine vollständige Aussage haben.“
    Ich verspreche es ihm und setze meinen ursprünglichen Plan endlich in die Tat um – und verschwinde.
     

 
     
    35. Loren
     
    In dem Moment, in dem die Tür des Poolbereiches hinter mir zufällt, fühle ich mich befreiter. Sowohl der penetrante Chlorgeruch als auch die Stimmung darin machen mir doch zusehends zu schaffen. All diese Emotionen, beziehungsweise das völlige Fehlen derselben, schaffen eine explosive Mischung, deren Spitzen ich mich einfach nicht mehr verschließen kann. Erstaunlich, was eine beinahe durchwachte Tagruhe so alles ausmacht. Erst einmal tief durchatmend bleibe ich einen Moment vor der geschlossenen Tür stehen, lehne mich daran und horche in mich hinein.
    Ganz ehrlich, ich hasse solche Momente. Sie sind beinahe so, als würde man seinen freien Nachmittag im Wartezimmer eines Krankenhauses verbringen und auf den Arzt warten, der merkwürdigerweise nicht aus seinem Behandlungszimmer herauskommt, obwohl er Bereitschaft hat. Meine Gedanken kehren wieder zurück zum Hier und Jetzt und ich atme einmal kurz durch. Eher eine Geste der Gewohnheit als der Notwendigkeit.
    Langsam löse ich mich von der Tür und stelle fest, dass sich ein leichter Kopfschmerz eingestellt hat. Langsam massiere ich die Druckpunkte an meinen Schläfen und bin nicht zum ersten Mal heute froh, dass der Gang menschenleer ist. Eigentlich merkwürdig, wenn man bedenkt, dass hier oben nicht nur Kabinen, sondern auch die Ausgänge zur Aussichtsplattform sind, auf der natürlich die obligatorischen Sonnenliegen fehlen. Aber sei es drum.
    Der Kopfschmerz lässt langsam nach und ich werde mir meiner Umgebung wieder bewusst. Während ich mich langsam und beinahe schwerfällig in Richtung der Treppe bewege, lasse ich mir die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen: Es ist schon seltsam, wie sich die Dinge entwickeln.
    Ben, der sich als exzentrischer Egomane nun völlig geoutet hat – beinahe höre ich ihn im Hintergrund lautstark protestieren. Und Desmond, der auf wundersame Weise anscheinend doch sein Gewissen wiedergefunden hat. Zum Glück muss ich mich nicht offiziell für irgendeine Partei entscheiden. Ich wüsste auch gar nicht, für welche. Obwohl – für Sharroll habe ich wesentlich mehr Sympathie übrig als für Ben oder für Loren.
    Wo ist Loren abgeblieben? Nachdem sie wieder aus ihrer plötzlichen Ohnmacht erwacht war, habe ich sie aus den Augen verloren. Wahrscheinlich begleitet sie Ben und versucht seine Ehre zu beschützen.

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