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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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doch dann liegt sie wieder ruhig da. Überhaupt ist sie eine angenehme Kundin. Die erste Viertelstunde hat sie eisern die Zähne zusammengebissen und versucht, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Danach ist sie langsam aufgetaut und nun plaudert sie beinahe munter mit Amanda.
    Es ist fast so, als hätte sie mich ausgeblendet. Normalerweise würde ich mit ihr sprechen und sie in Smalltalk verwickeln, um sie abzulenken. So kann ich mich aber ganz auf meine Arbeit konzentrieren, und ganz nebenbei erfahre ich so den neuesten Schiffsklatsch innerhalb der Mannschaft und amüsiere mich darüber.
    Es sind genau die gleichen Geschichten, die man immer zu hören bekommt. Zum Beispiel wer mit wem gerade anbändelt oder Schluss gemacht hat. Wer sich über seinen Dienstplan beschwert hat oder über seinen direkten Vorgesetzten. Ganz nebenbei erfahre ich die neuesten Vorhaben, bis wir in Southampton anlegen und horche auf, als Amanda von der geplanten Überraschungs-Kostümparty spricht.
    „ Wir haben uns lange über ein Motto unterhalten und endlich steht es fest. Es war meine Idee.“ Sie lächelt mich zustimmungsheischend an und erklärt: „Unser Motto lautet Vampire.“
     

 
     
    39. Wiedererkannt
     
    Meine Hände zittern plötzlich so stark, dass ich die Maschine einen Moment zur Seite legen und mich sammeln muss. Ob aus Überraschung oder aus anderen Gründen, ist dabei unklar. Zum Glück hat Cindy meine Reaktion nicht wirklich mitbekommen. Ich fasse mich und setze neu an. Dabei konzentriere ich mich nur auf meine Arbeit und blende jegliche aufzuckende Emotion aus. Zum Glück ist das Bild für heute beinahe fertig und ich reiße mich zusammen.
    „ Wie kommen Sie denn auf gerade dieses Thema für eine Party?“, erkundige ich mich gezwungen beiläufig.
    Amanda sieht mich amüsiert an. „Warum denn nicht? Das ist doch gerade ein ganz großes Thema überall.“
    Cindy giggelt und ihr Rücken hebt und senkt sich dabei. „Ich finde das super“, kommentiert sie. „Schließlich sind Vampire das letzte große Geheimnis der Menschheit. Oder sehen Sie das anders?“
    „ Das letzte große Geheimnis der Menschheit?“, murmele ich vor mich hin. Ah ja – so habe ich das noch nie gesehen. Um mir selbst Raum zum Nachdenken zu geben, gebe ich zurück: „Liegen Sie bitte still, wir sind fast fertig.“
    Cindy streckt sich und durch die fast unmerklichen Muskelbewegungen scheint es, als würde sich die tanzende Fee tatsächlich auf dem Rücken bewegen.
    „ Haben Sie das gesehen?“ Amanda reißt die Augen auf und deutet auf den Rücken.
    „ Was genau?“ Schmunzelnd setze ich die Nadel an und vervollständige die Figur.
    „ Sie hat sich bewegt!“, erklärt Amanda.
    „ Was hat sich bewegt?“ Cindy zuckt, als sie sich erneut versucht umzudrehen. Ich hebe die Nadel, um so kurz vor dem Ziel nicht doch noch Fehler einzubauen.
    Amanda ist ganz aufgeregt. „Die Fee auf deinem Rücken. Sie tanzt tatsächlich.“
    Cindy strahlt mich an. „Wirklich?“
    Amanda schnaubt leise. „Glaubst du, ich bin blind?“
    „ Nein, nein“, beschwichtigt Cindy sie schnell.
    „ Liegen Sie bitte still“, gebe ich lächelnd zurück und Cindy gehorcht. Puh, noch einmal Glück gehabt. Mit wenigen Worten haben wir uns vom Thema entfernt.
    „ Wie machen Sie das?“ Amanda beugt sich von der anderen Seite der Liege weit über Cindys Rücken. Sie kommt mir dabei sehr nahe und eine Mischung aus süßlichem Cocos und billigem Jasmin schwappt über mich hinweg. Der Zauber von Cindys Eigengeruch verfliegt und es ist einfach nur ekelhaft. Ich setze die Nadel ab.
    Amanda sieht mich fragend an.
    „ Sie nehmen mir das Licht“, erkläre ich herablassend. Sie entschuldigt sich und zieht sich zurück. Man merkt jedoch, dass sie gekränkt ist. Ihr Geruch verflüchtigt sich nur langsam. Wie schwerer Sirup klebt er nun in der Luft und lässt sich nur mit größter Anstrengung ignorieren.
    „ Wie wäre es mit einem Ball anstelle einer Party?“, nehme ich den ursprünglichen Gesprächsfaden wieder auf.
    Cindy scheint die Idee gut zu finden, denn sie setzt an zu nicken, hält den Kopf dann aber doch wieder still. Ich setze wieder an und die wenigen Blutstropfen, die aus dem Rücken perlen, wirken wie eine natürliche Geruchsbarriere.
    Amanda verschränkt die Arme vor der Brust. Das höre ich zwar mehr, als dass ich es sehe, aber die Geste ist bezeichnend für sie. „Ein Ball ist zu formell.“ Aha, Amanda versucht also wieder Boden gutzumachen.

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