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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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zu, dass ich gestern nicht mehr auf Alex’ Anrufe reagiert habe. Auch nicht auf das verzagte Klopfen an meiner Tür. Ich war einfach mal nicht da – fertig. Rauchend auf dem Balkon liegend habe ich die Ruhe genossen, die sich dank der stampfenden Musik um mich herum in meinem Körper ausbreitete.
    Die Kopfhörer, die eine sehr gute Qualität haben, hüllten mich ein in den hypnotisierenden Strudel von rhythmischen Bässen, sauberen Gitarrensoli und dem Gesang des Leaders. Sie schickten pure Energie durch meine Körper und löschten für eine Weile alle merkwürdigen oder krummen Empfindungen.
    Davon getrieben, auf einer Wolke von Musik und Hasch, entspannten sich meine überreizten Sinne langsam. Noch besser wäre eine ausgiebige Tanzsession in einem dunklen Discoraum voll pulsierender Lichter und sich darin bewegender Körper gewesen. Ja, die absolute Krönung wäre dann ein Schluck pulsierenden Lebens gewesen, direkt aus der Quelle eines Vertrauten, der mit mir diese Ekstase teilt.
    Aber so erfüllte meine Maßnahme auch ihren Zweck. Irgendwann bin ich dann ins Bett gekrochen und habe meinen Körper die Ruhe finden lassen, die ihm in dieser Nacht bisher mehr als nur verwehrt geblieben war. Um kein Aufsehen zu erregen, habe ich die Balkontüren auch wieder geschlossen und die Heizung ein Stück weit aufgedreht. In dem Grad, in dem die Wärme der Heizung langsam die Oberhand über die Zimmertemperatur gewann, nahmen auch meine wirren Gedanken ab.
    Ein alter Trick half mir zudem dabei, mich weiter zu beruhigen. Ich lag flach auf dem Rücken im Bett, die Hände hinter dem Kopf verknotet und die Bettdecke bis an den Halsansatz hochgezogen. Meine Augen richteten sich gen Kabinendecke und ich stellte mir vor, wie mein Geist langsam durch alle Decks hinaufstieg, bis er nur noch den klaren Himmel voller Sterne über sich hatte.
    In diese Friedlichkeit eintauchend ruhte ich zufrieden in mir selbst, während Bilder und Gedankenfetzen durch meinen Kopf zogen. Sie führten einen wilden Tanz auf, doch das störte mich nicht. Ich war erfüllt vom Frieden der Sterne und vom Versprechen der dunklen Nacht.
    Irgendwann kurz vor dem Morgengrauen spüre ich die Veränderung im Schiff. Das Personal erwacht und beginnt mit seinem Werk. Dieser Moment ist einfach perfekt. Im Geiste rufe ich nach Cassandra und nur wenige Augenblicke darauf erscheint das Mädchen tatsächlich an meiner Tür. Ganz leise stehe ich auf, als sie die Verriegelung öffnet und hineinschlüpft.
    Ihre Sinne sind noch müde und daher schnell zu kontrollieren, auch in meinem geschwächten Zustand. Sie tastet nach dem Lichtschalter, doch bevor sie ihn findet bin ich bei ihr und schicke sie „schlafen“. Augenblicklich beginnt sie zu schwanken und kann sich vor trunkener Müdigkeit gerade noch auf einen Stuhl in der Nähe retten. Genüsslich lächelnd trete ich hinter sie.
    Sie riecht nach Seife und frisch gewaschener Garderobe. Ein angenehm unschuldiges Aroma. Ihr Kopf wird schwer und sackt langsam zur Seite. Na wer sagt’s denn? Vorsichtig trete ich hinter sie, beuge mich vor und ernähre mich. Kurz und schmerzlos für sie – erfrischend für mich. Es dauert nicht lange und ich lasse von ihr ab. Das arme Ding wird heute wohl mit starker Müdigkeit und Unkonzentriertheit kämpfen, sonst wird es ihr aber gut gehen.
    Liebevoll streichele ich ihr über den Kopf und den streng im Nacken geflochtenen Zopf. Sie wird ein ordentliches Trinkgeld für diese Überfahrt auf ihrem Konto finden, dafür sorge ich schon.
    „ Einen schönen Tag, Kleines“, flüstere ich ihr zu. „Und vergiss nicht, du hast meine Kabine bereits sauber gemacht.“
    Sie nickt mit leeren Augen und lässt sich dann zur Tür führen. Ich horche kurz, doch draußen bewegt sich nichts. Das ist gut. Langsam öffne ich die Tür, schiebe sie hinaus und löse gleichzeitig mein Bewusstsein von ihrem. Wie gesagt, sie hat die Suite bereits gereinigt und jetzt wird sie sich an ihr Tagewerk machen.
    Anschließend klettere ich zurück ins Bett – und nehme Alex’ Jackett zum zweiten Mal mit. Allerdings schlüpfe ich nicht hinein, sondern breite es auf dem Kissen neben meinem aus. Sein Geruch ist nur noch schwach, dennoch vorhanden. Ich schließe die Augen und erfreue mich des neuen Lebens, das unschuldig durch meine Adern zirkuliert und seine sanfte Gelassenheit auf mich überträgt. Alles wird irgendwie wieder gut werden. Mit dieser Gewissheit überkommt mich wenige Augenblicke später das ewige Dunkel des

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